Eine Ewigkeit

Paulas Tagebuch

Noch 25 und Rest von heute

Eine Ewigkeit

„Des dauert wieder ewig heute!“ Ewig – des so ein Wort, welches im Bierzelt eine ganz besondere Bedeutung hat. Ewig bedeutet eigentlich unabsehbar lange, unendlich lang oder auch zeitlos. Und zeitlos sind sie alle – die Gäste im Bierzelt. Verzeiht mir: Corona konform heißt es natürlich die Gäste im Biergarten. Auch wenn der Biergarten von dem ich Euch heute erzähle eigentlich ein Bierzelt ohne Zelt ist.

Was sich nicht geändert hat

Jedenfalls ist es so, dass sich in den letzten zwei Jahren (so lang ist es nämlich schon her, dass es noch Bierzelte gab) so einiges geändert hat. Wir nehmen uns nicht mehr in den Arm, wenn wir uns sehen. Und wenn doch, dann schicken wir „ich bin schon geimpft“ oder „darf ich?“ voraus. Wir haben alle irgendwelche Lappen vor Mund und Nase und ein Lächeln ist heute gar nicht mehr sichtbar. Wir setzten uns nicht mehr ohne weiteres an einen Tisch, an dem schon ein anderer Haushalt sitzt.

Was sich aber nicht geändert hat, ist das Zeitgefühl meiner Gäste! Da sind 3 Minuten immer noch eine Ewigkeit. 10 Minuten gefühlt ein halbes Leben und 20 Minuten der sichere Tod! Ja, wirklich. Die kommen in den Biergarten, erspähen einen Platz, bestellen schon bevor sie sitzen und sagen nach 3 Minuten, in denen sie auf ihr Bier warten: „des dauert wieder ewig heute!“

Wenig Zeit und ganz viel Mut

Zugegeben – in Dachau hat es wirklich manchmal furchtbar lang gedauert! Warum? Da müssen wir von vorne anfangen: Das Dachauer Volksfest ist abgesagt. Kein Bierzelt. Kein Festl. Keine Musik. Ist ja klar – schließlich leben wir in einer Pandemie! So hieß es irgendwann im April. Dann kam der Kalendarische Sommeranfang und unser Dachauer Wirt hat allen Mut zusammen gepackt, sich der Stadt Dachau und dem Kulturreferat entgegengestellt, ein Hygienekonzept ausgearbeitet und beschlossen: kein Zelt – aber einen Biergarten! Also ein Volksfest ohne Zelt, aber dafür mit allem anderen was dazu gehört. Reichlich knapp bemessen war die Zeit – aber es hat geklappt. Mit dem kleinen Wehmutstropfen, dass einige Bedienungen entweder komplett umorientiert den Job an den Nagel gehängt haben oder eben schon was anderes vorhatten – so wie die Paula. Also herrschte von vornherein akuter Bedienungsmangel. Und die Kollegen die da waren, haben bei Regen und Hitze alles gegeben.

Holzfass Augustiner und die Wartezeit

Weil es eben kein klassisches Volksfest war – kam auch noch das Glück dazu: es gab Augustiner aus dem Holzfass! Eine Wohltat. Allerdings: logistisch und zapftechnisch auch eine Herausforderung! Weil wenn so ein Fass leer ist, dann brauchts halt erst ein neues. Des muss aus der Kühlung auf den Schanktisch geschafft werden, aufgestellt werden und angezapft werden – und des dauert einfach länger als einen neuen Container anzuzapfen – dafür schmeckt es aber auch viel viel besser! Nur müssen die Gäste einfach ein bissi länger warten. Und schon ist es eine Ewigkeit!

Zum einen kann ich es ja verstehen, dass die Sehnsucht nach der ersten Maß schier unerträglich ist! Zum anderen muss ich aber gestehen, dass ich ein wenig gehofft hätte, dass diese Hetze aus dem Bierzelt der Biergarten-Gemütlichkeit endlich weichen würde. Dem war aber nicht so. Ganz im Gegenteil! Und was mich tatsächlich echt „erschüttert“ hat: die „Junga“ haben noch viel weniger Zeit. Je jünger unsere Gäste wären, desto gestresster und genervter und ungeduldiger waren sie…

Aus Sicht einer Angestellten

Und weil es mich wirklich interessiert hat, hab ich dann (nachdem der erste Durscht und Hunger gestillt war) einfach nachgefragt. Die Antwort meiner Gäste war noch erschütternder! Da sagt dieses frisch geschlüpfte Küken, welches nach eigenen Angaben seit 3 Jahren in einem Büro arbeitet doch tatsächlich: „Ganz ehrlich, wir sind jetzt monatelang daheim gesessen und haben nicht raus gedurft. Mussten dauernd zum Arbeiten ins Büro gehen und jetzt dürfen wir endlich in Biergarten und DU brauchst ewig, bis du deinen Job machst! Du hast doch jetzt monatelange daheim gechillt, da kann man doch erwarten, dass du dich für uns auch mal bissi beeilst!“

What? Mir ist tatsächlich für einen Moment die Spucke weggeblieben. Die Kleine war Mitte 20, hat sich die letzten Jahre weder Sorgen um Miete noch um Kinder machen müssen und sagt mir, ich hätte daheim gechillt!

Aber genau des ist, was in unserer Gesellschaft ein echtes Problem ist. Die eigenen Bedürfnisse und Befindlichkeiten sind es, auf die es ankommt. Links und Rechts wird nicht geschaut. Das keine Arbeit zu haben gleichzeitig bedeutet, dass auch kein Geld reinkommt, vergisst man schnell mal. Das kein Bierzelt nicht gleichbedeutend ist mit: es geht bei nächsten Mal schnell vergessen sie auch. Und dass das Bier nicht schneller aus dem Zapfhahn läuft, nur weil es jetzt zwei Jahre lang nicht laufen musste ist auch unverständlich!

DANKBAR für die besten Gäste

Aber wie immer bestätigen Ausnahmen die Regel! Und die Regel war, dass die meisten Gästen einfach nur froh und dankbar waren, dass sich wieder was rührt. Verständnis hatten für ein paar Minuten, die sie auf ihre frische Maß warten mussten und sich einfach nur gefreut haben, das wir uns wieder sehen! Und diesen Gästen bin ich, wie immer und doch ein bisschen mehr, DANKBAR. Weil ihr diejenigen seid, wegen denen ich meinen Job so wahnsinnig gerne mache!

Eine Ewigkeit im Biergarten sitzen – das haben wir alle so sehr vermisst! Und a Bier auf des ma a bissi warten muss, schmeckt am Ende eigentlich vui besser!

Häschtäg: Des war so schee – endlich wieder Tagebuch – noch 25 und der Rest von heute!

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2 Kommentare

  1. Jeannine
    25. August 2021 / 9:45

    Liebe Paula, eins muss ich Dir jetzt mal sagen bzw. schreiben…
    Ich kann mir sehr gut vorstellen wie Du innerlich Ausgerastet bist, als dich dieses Büroküken so hinstellen wollte.
    Unglaublich..
    Und so sehe ich es an der Zeit, diesem Küken eine kleine Botschaft zu senden..(in der Hoffung, sie sieht es auch).
    Das was die Paula leistet, sollte mal einer selbst erleben. Denn diese Frau ist Top!
    Manch eine andere brächte das nicht auf die Reihe..
    Schon gar nicht solch ein Küken…
    Also Küken, nimm Dir ein Beispiel an Paula, und entspanne dich… Denn es haben es nicht alle so einfach in dieser Corona Zeit.

    Paula, das was Du leistest ist sehr bewundernswert und nebenbei bist Du auch immer freundlich!
    Freue mich sehr, Dich bald wieder zu sehen.
    Ein lieber Gast aus der Schweiz..

    • franzi
      Autor
      26. August 2021 / 9:58

      Oh wie lieb! Vielen herzlichen DANK – auf ganz bald!

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