Reservierungswahnsinn

noch 35 Tage – und der Rest von Heute!

Reservierungswahnsinn

Volksfest-Tagebuch Dachau 2019 – der Countdown zur Wiesn.

Heute: Freitag, „wir haben Reserviert“ oder wie man eine Bedienung in den Wahnsinn treibt

Dachau ist ein kleines gemütliches Volksfest. Mitten in der Stadt, auf der Ludwig-Thoma-Wiese, entsteht ein Rummel mit allem, was das Volksfest-Herz begehrt. Kleine Kaffeezelte, Weißbiergarten, Schießstände, Fahrgeschäfte, ein Autoscooter und natürlich auch ein großes Festzelt mit Blasmusik. Einen Platz findet man immer. Sollte man meinen. Aber selbst in Dachau ist an den Stoßtagen der Andrang in den Zelten groß. In den Weißbierzelten sind die Tische ebenso reserviert wie in dem großen Zelt. Klar, hier und da gibt es noch einen freien Tisch, aber den muss man suchen und vor allem muss man früh genug da sein. An den Wochenenden sieht man häufig drei vier Leute schon ab 16 Uhr am Tisch sitzen. Mit einer Maß Spezi. Beim Kartenspielen. Das ist die Vorhut, die beim Schnick-Schnack-Schnuck spielen verloren hat und den Tisch im Bierzelt blockieren muss. Die sitzen da dann ein paar Stunden und warten drauf, dass ihre Kumpanen das Freibad endlich verlassen und sich in die Tracht schmeißen und endlich im Zelt auftauchen. Mei, jeder wie er´s mog.

Reservierungen im Bierzelt

Die anderen Tische wurden im Voraus im Festbüro reserviert. Im Dachauer Festbüro sitzt seit unzähligen Jahren eine der besten Seelen. Unser Reservierungschef versucht wirklich alle Wünsche zu erfüllen. Schließlich bedeutet Tisch reservieren ja auch, dass man an der richtigen Stelle im Zelt sitzt, dass man die richtige Bedienung hat, dass man genug Platz hat. Unser Mani macht das alles immer irgendwie möglich. Notfalls wird da auch noch drei Mal hin und her geschoben. Die meisten Tische sind um 18 Uhr reserviert. Und die meisten Gäste kommen auch pünktlich um 18 Uhr. Was dann natürlich auch bedeutet: dass des Zelt um 18 Uhr bum-voll ist, dass alle Durst haben, dass alle gleichzeitig essen wollen, dass alle auf einmal alles wollen. Für die Bedienungen heißt es dann „Rollschuhe anziehen und Gas“. Radler, Bier, Wasser, Apfelschorle und eine Maß Spezi. „Erstmal eine Alkoholfrei Maß, i hab so durscht.“ Sehr gerne. „Und zum Essen kriegen wir auch gleich was?“ Ja, immer mit der Ruhe. Wir haben noch einen ganzen Abend Zeit. Nur ned hudeln. „Sie – ich warte jetzt schon seit 5 Minuten auf meine Käsespätzle, der Nachbar hat sein Hendl aber schon seit 10 Minuten!“ des sind mir die Liebsten! „Woaßt, i hob den ganz Dog auf di g´wart, jetzt wartest du hoit moi 5 Minuten auf mi. I konn mi schließlich nicht teilen!“ Es ist ja nicht so, dass ich rumstehe und zuschaue, wie die Herrschaften verhungern. Aber nachdem alle anwesenden gleichzeitig bestellt haben, packe ich meinen Schlitten eben „Küchenweise“ voll. Erst die Hendl, dann die Haxen und dann kommt die warme Küche dran. So ist des halt.

Wir kommen bissi später

Freitags, also an einem dieser Tage, wo die Reservierungen weggehen wie warme Semmeln, ist es gern so, dass um 18 Uhr nicht alle Reservierungen da sind. Schließlich haben unsere Gäste ja reserviert, da kann man sich ja Zeit lassen mit dem Aufbrezeln daheim. Liebe Gäste! Des ist ein Trugschluss! Weil wenn ihr um kurz nach sechs nicht an eurem Tisch sitzt, dann kommen sie an, die Geier, die keine Tische reserviert haben. Und dann können wir Bedienungen uns drum kümmern, dass es Euer Tisch bleibt. Da wird mit harten Bandagen gekämpft, da werden Reservierungs-Schilder abgerissen und es werden die vogelwildesten Geschichten erzählt. Dafür hab ich überhaupt keine Zeit, schließlich wartet die Dame vorne links auf ihre Käsespätzle. Und ganz nebenbei: in der Stunde, die ich auf Euch warte, hätte ich den Tisch schon gut vollmachen können und Bier verkaufen können – weil wie schon häufiger erwähnt: ich bekomme nur Geld, wenn ich was verkaufe.

Reisegruppe „ohne Uhr“

Wie sollte es anders sein: auch heute gab es natürlich wieder Reservierungs-Spezialisten. Eine Gruppe hat vier Tische reserviert. Dier ersten zwei, von den am Ende 40 Gästen kommen pünktlich um 18 Uhr. Erklären mir kurz, dass die restlichen 38 Gäste sich etwas verspäten. Gut, kein Problem, kann ja mal passieren. Wenigsten haben sie Bescheid gesagt. Ich bringe den beiden ein Bier. Zusammen. Bekomme die Biermarke und einen Euro. Läuft. Während ich mich um meine anderen Gäste kümmer, bekomme ich aus dem Augenwinkel immer wieder mit, die zwei Herrschaften mit vollem Körpereinsatz ihre 4 Tische verteidigen. Die tun mir direkt bissi leid. Als ich grade einen Moment Luft habe, weil ich an der Küche anstehe, schaue ich auf die Uhr, es ist 19 Uhr. Also eine Stunde nach reservierungsbeginn. Die 4 Tische sind immernoch leer. Ich frage bei den beiden Häuptlingen kurz nach, ob ihre Gäste noch kommen. Schließlich sind genug Hungrige und Durstige Menschen in dem Zelt, die gerne einen Platz hätten. „Ja, ja, die kommen gleich.“ Zur gleichen Zeit dreht auch der Wirt grade sein Runde und fragt, warum bei mir die Tische leer sind. Kurz erklärt sagt er zu mir: „wenn die in fünf Minuten nicht da sind, dann machst den Tisch voll.“ Alles klar. Ich gebe denen 10 Minuten und siehe da, die Reisegruppe „ohne Uhr“ trudelt langsam ein. Endlich sitzen alle. Müssen aber erst noch warten, bis ihr Ober Guru die Bier- und Hendlmarken aus dem Büro geholt hat. Es vergehen wieder 15 Minuten. Mittlerweile ist es halb acht. Zugegeben, die Laune in unserem Team ist nicht gerade auf dem Höhepunkt. Es ist Freitagabend und wir haben vier leere Tische und im Zelt sind genügend Gäste, die gerne einen Platz hätten. Eine ungute Mischung. Jetzt geht’s aber endlich los. Die Gäste bestellen die Getränkekarte einmal rauf und runter. Von Wasser bis Radler, von Apfelschorle bis Maß. 12 Maß oder Radler sind kein Problem. Aber 5 Maß und 12 alkoholfreie Getränke sind transporttechnisch eine Herausforderung. Weil die AfG´s ja viel günstiger sind, zahlen sie die natürlich nicht mit Biermarken. Verstehe ich. Dann wird´s aber heiter. Auf jedem der vier Tische stehen zwei Sackerl Münzen. Ein Sackerl mit rötlichen Münzen, ein Sackerl mit goldenen Münzen. Ernsthaft? Ja! Ernsthaft! Die Fünferl werden jetzt an alle verteilt, die ein Getränk aus der Flasche bekommen haben. Die mit dem Bier bekommen alle ein 10erl. Vorbereitung ist das halbe Leben! Warum? Die Apfelschorle kostet 3,15 Euro. Auf die Biermarke muss man 53 Cent zuzahlen. Auf Deutsch: bei den Getränken aus der Flasche haben wir gar kein Trinkgeld bekommen, bei den Biermarken immerhin 7 Cent. Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen.

Wie man seine Bedienung bei Laune hält

Die Bedienungslaune befindet sich auf dem Höhepunkt! Kaum zu beschreiben. Erst kommen die eineinhalb Stunden zu spät und dann bezahlen sie mit Indianern. Pure Begeisterung. Natürlich schreien auch schon alle nach Essen! „Wenn wir Saure Knödel essen, bekommen wir dann die Differenz zurück für die Hendlmarke?“ (Saure Knödel kosten 6,90 Euro, die Hendlmarke ist aber 7,79 Euro wert) „Nein! und Saure Knödel sind eh aus!“ Und das ist nicht mal geflunkert! Was soll ich sagen – an diesem Freitag hatten wir unzählige Indianer im Geldbeutel. Irgendwann stand ich an dem Tisch und musste mit einem Gast diskutieren, weil er nur 50 Cent auf die Biermarke bezahlen wollte, schließlich gab er mir vorhin ja 60 Cent, da wären die 3 Cent dabei gewesen für diese Runde – woaßt was? Behalt deine 3 Cent! Mir ist des zu anstrengend. Ein Gast vom Nachbartisch hat die Diskussion mitbekommen, steht auf, nimmt die Radler von dem Gast, setzt an, trinkt einen großen Schluck raus, und sagt zu dem Knauser: „Jetzt hast a Bier für a 50erl!“ Zugegeben – ich konnte nicht anders als einfach los zu lachen!

Humor ist, wenn man trotzdem lacht

Mei – so ist des mit den Reservierungen. Da muss man durch. Es wurde auch im Verlauf des Abends nicht mehr besser. Das Beste war, dass sie frühzeitig heimgegangen sind und wir die Tische dann an „normale“ Gäste weitergeben konnten.

Kein Gast wird gezwungen Trinkgeld zu bezahlen. Nichts desto trotz, gehört sich des einfach. Genauso, wie man aus einem Zeitungskasten keine Zeitung stiehlt. Die einen können mehr geben die anderen weniger. Das ist auch ganz normal. Und keinesfalls verwerflich. Aber wenn wir bei 3 Cent anfangen zu diskutieren, dann läuft doch irgendwas falsch. „Auf der Wiesn haben wir immer im Hippodrom reserviert. Da müssen wir nicht jedes Bier einzeln bezahlen, da schreibt die Bedienung alles auf eine Rechnung, deswegen haben wir nachher immer glatte Beträge, das ist viel besser!“ Ah ja. Klar. Im Hippodrom!!! Dann fangt schon mal an zu sparen – in 35 Tagen dürft ihr dann glatte Beträge bezahlen. Im Hippodrom!!! Wenn ihr des findet! Oder sonst wo auf der Wiesn. Da kostet des Bier fast des Doppelte! Prost!

Notiz: ich weiß nicht was ich sagen soll – wer den Pfenning nicht ehrt, ist den Taler nicht wert – 3/6 unserer Tische waren MEGA!

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