Bedienungsleben

noch 37 Tage – und der Rest von Heute!

 

Volksfest-Tagebuch Dachau 2019 – der Countdown zur Wiesn.

Heute: Mittwoch, Bedienungsleben – zwischen Vorurteilen und Tatsachen und dem ewigen Schmarrn

Halbzeit am Dachauer Volksfest. Die Hälfte ist geschafft. Zugegeben, bei aller Freude und allem Spaß freut sich irgendwie jede Bedienung, wenn des Bierzelt dann wieder rum ist. Weil´s ja schon anstrengend ist. Alles in allem. Das Anstrengenste sind aber die „Vorurteile“ – also die von denen, die eh keine Ahung haben.

Schau ned so böse

Die weinigen Stunden Schlaf. Die vielen Stunden im Bierzelt. Die Schlepperei. Die Rechnerei. Die Diskussionen. Das anstehen an der Küche. Und vor allem das ständige Grinsen! Ständig musst du aktiv grinsen. Und wenn du grad mal nachdenkst, wie du die 10 Essen jetzt schnellst möglich zum Tisch bringst, dann kommt bestimmt einer um die Ecke und sagt: „schau doch ned so beß“ – ich schaue nicht böse. Ich bin konzentriert und berechne, an welchem Küchenpass ich mich wann anstelle, damit kein Essen kalt wird und trotzdem alle Gleichzeitig essen können am Tisch. Hört sich komisch an, ist aber so: in Dachau haben wir ganze 4 verschiedene Stationen. Hendl, Haxe, warme Küche und kalte Küche. Soweit so gut. Ein ungeschriebenes Bierzeltgesetz besagt: wenn an einem Tisch alle gleichzeitig Essen bestellen, dann kannst du dich mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit an allen 4 Pässen anstellen. Das ist Bierzelt-Karma oder so. Du stellst dich also zu erst dort an, wo es vermeintlich am längsten Dauert. Manchmal geht die Rechnung auf – manchmal aber auch nicht. Da stehst ewig in der Schlange bei der warmen Küche, weil bei Hendl nix los ist und du deine zwei Hendl im vorbei gehen mitnehmen kannst und wenn du endlich den Schweinebraten, die Käsespätzle und den Rinderbraten am Schlitten hast, dann stehen beim Hendl auf einmal 15 andere Bedienungen an – so ist des halt. Dann laufen wir eben zweimal. Ist ja nicht so schlimm. Verhungert ist noch keiner bei uns.

 

Am unteren Ende der Nahrungskette

Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass der Job „Bierzeltbedienung“ nicht nur auf „Wow“ und „hey cool“ trifft. Genau genommen ist es viel öfter so, dass ich böse und abfällige Bemerkungen höre, wenn ich stolz erzähle: „ich geh ins Bierzelt zum Bedienen“. Meistens kommen solche Bemerkungen von Menschen, die eher weniger Berührungen mit dem Bierzelt an sich haben. Weil sie entweder nicht aus Bayern kommen oder mit Volksfesten von haus aus nix am Hut haben. Weil sie da einfach nicht gerne hingehen. Soll es ja geben. Aber auch unter den Volksfestbesuchern gibt’s genügend, die der Meinung sind, dass eine Bierzeltbedienung diesen Job nur und ausschließlich deswegen macht, weil es zu „mehr“ nicht reicht. Und ich finde es ist an der Zeit, mit diesem Vorurteil mal aufzuräumen! Grade in Dachau arbeiten ganz viele Bedienungen, die im echten Leben ganz normale Jobs haben. Im Büro. Als Handwerker. Selbstständig. Gelehrte und Studierte. Diejenigen, die hauptberuflich Bedienung sind, sind das aus Leidenschaft und Passion. Und mal ganz ehrlich: gäbe es keine Bedienungen, dann wären viele Veranstaltungen bei weitem weniger gemütlich. Weil jeder sich sein Bier und seinen Schweinebraten selbst holen müsste. Verrückterweise schimpfen diejenigen am meisten auf den Berufsstand „Bedienung“ die sich am wenigsten die Finger schmutzig machen wollen. Die daheim selbst „Hauspersonal“ haben. Die in ihrem Leben noch nie so richtig anpacken mussten. Vor einiger Zeit hatte ich, auf einer privaten Feier, auf der ich als Gast eingeladen war, ein Gespräch in dem mir erklärt wurde, dass meine Meinung unerwünscht sei, da ich mich ja „an dem untersten Ende der Nahrungskette“ befinden würde. Mit einem Grinsen im Gesicht habe ich darauf nur geantwortet: „Völlig falsch mein Lieber – ich stehe an der Quelle der Nahrungskette, direkt an der Küche – ohne Bedienungen wie mich würdest du nämlich auf einer Veranstaltung verhungern und verdursten!“ Für mich war an dieser Stelle das Gespräch beendet. Ich bin an die Bar gegangen und habe mir mein Getränk geholt. Er hat es sich bei der nächsten Bedienung bestellt – ohne Bitte versteht sich von selbst.

Nach der Arbeit feiern gehen

Wenn man den Leuten so zu hört, dann könnte man meinen, Bedienungen feiern ihr ganzes Leben durch. Während der Arbeit, nach der Arbeit und am besten noch vor der Arbeit. Ja klar. Natürlich feiere ich während der Arbeit. Mich. Und das Bierzelt. Und meine Gäste. Schließlich soll ich ja auch ständig grinsen. Wenn ich dann keinen Spaß an der Geschichte hätte wäre das ja noch viel schwieriger. Ich sing mit, wenn die Band ein gutes Lied spielt. Ich tanze gerne auch mal drei Schritte oder wackel im Takt der Musik hin und her. Wenn jemand eine Radler bestellt, dann trinke ich die total gerne an. Mal. Und wenn grad viel Zeit ist, weil alle was zu trinken haben und keiner Schreit, ja klar, dann spring ich auch mal mit auf die Bank und tanz des Fliegerlied. Aber wenn die Gäste dann heim gehen, dann darf ich noch bleiben. Dann räume ich nämlich deren Saustall weg. Putz die Tische und die Bänke. Finde Brillen, Schuhe, Handys und Unterhosen unter dem Tisch. Das „feier“ ich dann auch irgendwie. Stimmt. Aber dann bin ich froh, wenn ich ins Bett darf. Dann hab ich nämlich im schlimmsten Fall schon 13 bis 14 Stunden Anwesenheit auf dem Buckel. Die Vorstellung, ich müsste jetzt noch einen Gewaltmarsch in die Dachauer Altstadt machen! Puhh. Den Schlossberg hoch um dann im überfüllten Kochwirt eng gedrängt an einem Stehtisch zu stehen, sich anrempeln zu lassen, ständig einen Ellbogen im Rücken oder eine Hüfte am Hintern – gleichgeschlechtlich versteht sich… also ganz ehrlich. Des macht doch keinen Spaß. Nicht mal wenn ich morgen Spätdienst hätte. Und außerdem muss ich ja noch Auto fahren. Also trinken kann ich eh nix. Der Rest der Gäste in so einem After-Bierzelt-Etablissement hat allerdings zu dieser Uhrzeit dann schon einen Pegel, der leicht fürs Heimgehen reichen würde. Dementsprechend sinnvoll sind die Gespräche, die man da führt. Also wenn ich mir vorstelle, ich müsste dahingehen und irgendwer drückt mir dann ein Gespräch rein, so was wie: „Oiso wie vui Tische hast jetzt du zu bedienen“ – das sind besonders beliebte Themen – da hätte ich wirklich überhaupt gar keinen Spaß dran. Deswegen würde ich des auch nicht machen. Nach der Arbeit noch feiern gehen. Niemals. Also überhaupt nicht. Außer vielleicht: es ist ein bisschen gemütlich. So mit sitzen und vielleicht noch einer Erbsensuppe. Und ein bisschen Musik. Dann vielleicht.

 

Das Gefühl eines Schlafanzugs

Alles ist eng. Und fest. Und schwer. Und nass-geschwitzt. Des schönste am Ende so eines Arbeitstags ist der Moment, in dem du unter der Dusche stehst. Und wenn du dann endlich in deinen Schlafanzug darfst. Ganz ohne Gürtel. Ohne Klammerl. Ohne Nummer. Einfach nur ein Schlafanzug. In den schwing ich mich jetzt auch. Und dann ab ins Bett. Morgen ist Feiertag – da wird wieder viel gegessen. Wahnsinnig viel. Da brauchen wir wieder alle Kraft.

Gute Nacht Dachau – bis morgen.

 

Notiz: 6 Tische, also für jeden Busen 3 – Körperkontakt endet mit der Musik – des üben wir nochmal

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