Politisieren

Paulas Tagebuch

Noch 22 und der Rest von heute

Im Wirtshaus und am Biertisch wird gerne politisiert. Des gehört so zu sagen dazu, wie der Schaum aufs Bier. Da wird über die Politik hergezogen, da werden die Minister, Kanzler und Abgeordneten ausgerichtet und da sagt man mal mehr oder weniger deutlich, was man vom Bürgermeister eigentlich hält. Wobei des weniger deutlich eher dem zunehmenden Bierkonsum zuzuschreiben ist, wie dem inhaltlichen Grant den man hegt. In Wahljahren wie diesem – und natürlich auch dank der aktuellen Pandemie – mehren sich die Gespräche über die Politik. Nicht nur im Wirtshaus, sondern natürlich auch im Biergarten. Wenn, wie in Dachau schon Jahre lange Tradition, dann auch noch ein „Politischer“ letzter Tag wartet, dann gehen die Gespräche schon mal heiß her

Der Politische

Des Dachauer Volksfest – und auch der diesjährige Ersatz-Biergarten – endet traditionsgemäß am Montag nach dem 15. August. Da ist der letzte Volksfest Abend. Der Abend für die Dachauer, die Einheimischen, die ganz Voglwuiden, die einfach nicht genug bekommen können. Dann kommt noch der Dienstag. Der gehört zwar nicht mehr zum Volksfest, aber irgendwie dazu. Am „politischen Dienstag“ in Dachau wird Wahlkampf gemacht. Reden geschwungen. Das Volk belogen. Ja – ihr habt recht! Das ist harter Tobak was ich hier schreibe. Mir wäre es auch lieber, wenn ich eine andere Meinung hätte – von unseren Spitzenpolitikern. Hab ich aber leider nicht. Und hier soll es ja auch gar nicht um Politik gehen, sondern um des Leben im Bierzelt. Und um die Geschichten, die wir so erleben.

Sehr gerne

Aus der Sicht einer Bedienung ist der politische Dienstag ein unrentabler Zeiträuber. Die Gäste, die an diesem Tag kommen, sind keine klassischen Bierzeltbesucher. Die kommen, weil sie die Rede von dem Stargast des Abends hören wollen! Dieser Stargast ist ein Spitzenpolitiker. Kanzlerkandidaten, Fraktionsvorsitzende oder wie 2019 Gesundheitsvollpfosten der Nation standen in Dachau schon am Rednerpult. Teilweise mit feierlich-pompösen Einmärschen, wie damals, als unser Horsti Einzug hielt und das ganze Zelt die Bayernhymne mitsang. Diese Redner werden von anderen Rednern begrüßt, vorgestellt und dürfen dann selber ran. Der Fokus liegt also eindeutig auf der Bühne und nicht auf der Maß. Was grundsätzlich auch völlig ok ist – wenn, ja wenn des für die Bedienungen nicht so ein Fail wäre. Schließlich werden wir auch (oder soll ich sagen erst recht) an dem politischen Abend nicht mit einem Festgehalt bezahlt, sondern bekommen ganz normal unsere Umsatzbeteiligung. Stehen also trotzdem von Anfang bis Ende im Bierzelt, verkaufen aber nur wenig, weil die Gäste sich ja nicht gemütlich ratschend unterhalten, sondern zuhören.

Pleiten, Pech und Prominenz

Ich gehöre ja oft zu den Glückskindern der Nation. In diesem Fall: zu denjenigen, die irgendwo weit weg von der Bühne ihren Service haben. Was tatsächlich weitaus lukrativer ist, wie der Service direkt vor der Bühne. Da vorne sitzt nämlich die Prominenz. Die Großkopferten. Die eigeladenen Gäste. Damit ihr versteht was ich meine: könnt ihr Euch vorstellen, wie Karl Lauterbach eine Maß Bier bestellt und dann freundlich lächelnd seinen Geldbeutel zückt und selbige mit ganz normalem Trinkgeld bezahlt? Seht ihr – Dinge die nicht passieren kann man sich nicht vorstellen. Keine Ahnung ob der Bier trinken würde, aber jedenfalls muss er natürlich nicht selbst bezahlen. Des kommt alles auf eine Rechnung. Zusammen mit dem nicht gegessenen Schweinebraten und dem stillen Wasser für seinen Sekretär. Natürlich wird die Rechnung später bezahlt – aber ihr könnt Euch vorstellen, dass der Verzehr (und vermutlich auch das Trinkgeld, dass weiß ich aber nicht und möchte da niemanden zu nahetreten) sich in Grenzen hält. Demzufolge auch der Verdienst der Bedienung die da arbeitet. Bei mir hinten sieht es schon besser aus: die verzehren auch nicht wie die Weltmeister, aber wenigstens bezahlen sie selber.

Die Grünen

Dieses Jahr war die Kanzlerkandidatin der Grünen zu Gast. Annalena wurde mim Tourbus (Diesel, mit AdBlue hab ich mir sagen lassen) angefahren, begrüßt, gebauchpinselt, hat geredet und war wieder weg. Übrigens – um auf die Prominenz in der ersten Reihe nochmal zu sprechen zu kommen: Frau Baerbock hat vorbildlich den ganzen Abend (mit Ausnahme während ihrer Rede) Maske getragen. Vorbildlich, muss ich sagen – dass sie deswegen nix verzehrt hat und der Rest vom Tisch – wegen der Masken – auch nicht, ist natürlich nachvollziehbar. Schade, für die Bedienungen, die den Service hatten. Aber wenn wir ehrlich sind: egal welche Partei, egal welche Farbe – die letzten 18 Monate hat sowieso niemand auch nur einen halben Gedanken an die Bedienungen verschwendet. Die sind einfach achtlos vergessen worden, hatten keine Chance auf irgendwelche Hilfen oder sonstige Unterstützung und dann kommt es auf den einen Abend mehr oder weniger doch auch nicht an…

Leinen und Wollsocken

Bei mir hat sich ein bisschen was gerührt im Service. Ich hatte nette Gäste. Ich hatte genügend Zeit für Fall-Studien und natürlich ist auch an diesem Dienstag wieder ein Depp aufgestanden und hat den Weg zu mir in den Service gefunden. Dem Himmel sei Dank! Sonst wäre der Tagebucheintrag jetzt fertig, oder ich müsste mich noch länger über… ach egal. Jedenfalls ergab sich an diesem Dienstag folgendes:

Der Typ – schon auf dem ersten Blick ein klassischer Grünen-Wähler, mit Wollsocken, Birkenstock und einen Jutebeutel, setzt sich also an einen Tisch. Ich geh hin und frag ob ich ihm was bringen darf. Nach der legendären Diskussion, warum es bei uns keine halbe Maß gibt

„Sei ma ned bös, aber Maß ist eine Liter Einheit und es gibt eine halbe Bier, aber eben nicht von Augustiner sondern Thoma-Bier.“

hat er sich dann für eine Maß Bier entschieden. Auch der Hinweis, dass er ein Schaumige bestellen kann, die dann eigentlich nur halb voll ist, hat unser Verhältnis nicht besser gemacht. Kaum verwunderlich. Schließlich kostet die Schaumige des gleiche wie eine Maß und natürlich ist die Bedienung schuld dran. Ich bring ihm jedenfalls seine Maß, sag sie kostet 8,40 €, er gibt mir 8,50 € und wartet auf sein 10erl… Ich hätte des wetten können! Und natürlich hatte ich kein 10erl mehr im Geldbeutel und natürlich habe ich ihm eins besorgt. Und natürlich hat er sich echauffiert, weil ich keine 10erl im Geldbeutel habe. Gegessen hat er auch. Eine Breze für 4,70€, die hat er passend bezahlt.

A Grantler

Am Ende war er der einzige Gast an diesem Dienstag, mit dem ich bis zum Schluss nicht warm geworden bin. Dem hat nix gepasst und dann hat ihm auch die inhaltslose Rede von der Sonnenblume nicht gefallen. Und außerdem fand er die Musik… „proletenhaftes Ballermann gesummsel!“ Bis hier hin war mir des alles noch recht egal. Ich muss ja nicht jeden Gast mögen. Aber des war zu viel! Schließlich stand da oben auf der Bühne nicht irgendwer, sondern eine der Bands, die bayerisches Lebensgefühl, unseren schönen Dialekt und ganz viel Bierzeltwahrheit in die Ohren bringen. Ohne Cover. Selbstgemacht. Und wenn wir ehrlich sind, auch der Grund, warum ich am Dienstag überhaupt noch nach Dachau zum Arbeiten gefahren bin: weil wenn „DeSchoWieda“ spielen steigt der gute Laune Pegel unabhängig von allem anderen. Und sie haben es mir so sehr schön gemacht! Und wie es im Leben so spielt: im richtigen Moment kam dann des Lied vom Grantler! Es ist ja meistens so, dass Musik mehr sagt wie tausend Worte!

„…und 10erl hot er a koane dabei…!“

Aufstuhlen

Tatsächlich war fand auch ich die Rede von Annalena – inhaltslos. Hat natürlich nix zu sagen. Ist auch nicht wichtig. Mir ist sie nicht im Kopf oder im Ohr geblieben (im Gegensatz zu dem eben beschriebenen Lied) außer einem einzigen Satz:

„… das gab es in Deutschland auch schon. Da hat auch schon mal ein Wald gebrennt!“

Ja liebe Leser – Rechtschreibung, Grammatik und ich sind nicht immer Freunde! Aber hier an dieser Stelle habe ich zitiert! Samt der Grammatik!

Jetzt ist Feierabend. Die Grünen putzen die Tische selber – weil die Aufkleber, die sie vorher drauf gebappt haben nicht mehr abgehen. Und wir warten bis wir endlich „Aufstuhlen“ und noch wichtiger „Ausstuhlen“ dürfen. Also alle Bänke und Tische, Schirme und Schirmständer auf Paletten verfrachten dürfen. Ja genau. Auch des hat sich nicht geändert. Das machen immer noch die Bedienungen. Da gibt’s keine Firma oder so. Und ganz ehrlich: es ist echt fast eine Zumutung. Die Betonplatten auf den Schirmständern, die hundsschweren Biertische und Bänke, des ist eine ganz schöne Schlepperei. Aber so ist, des gehört einfach zu dem Job dazu. Und manchmal ist es tatsächlich ein bisschen lustig…

„Geh weg, ich hab Handschuhe an!“

 

Häschtäg: nie mehr Politiker bedienen?! – Rollbraten isst Backhendl – noch 22 und der Rest von heute

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