Paulas Tagebuch
Noch 12 und der Rest von heute
Wenn man an die Wiesn denkt hat man unweigerlich auch direkt irgendwie Musik im Ohr. Die einen nur eine Melodie, die anderen ein Gegröle und der nächste einfach sein Wiesn-Lieblingslied. Früher gab es in der Vorbereitung auf die Wiesnzeit immer Spekulationen, was wohl der Wiesnhit werden könnte. Hits die heute noch jeder kennt, egal ob man auf die Wiesn gegangen ist oder nicht, sind zum Beispiel „Life is Life von Opus“ oder „Fürstenfeld von STS“. Na, summt ihr sie schon? Genau deswegen sind es Wiesnhits geworden. Weil man den Titel liest und sofort mindestens die Melodie im Ohr hat. Weil die Texte und auch die Melodie so einfach sind, dass jeder, egal mit welchem Pegel und egal zu welcher Uhrzeit, mitsingen kann. Auch dann, wenn schon lang keine Musik mehr spielt und man in Schlangenlinien schwankend zur U-Bahn torkelt. Die zwei eben genannten Lieder sind übrigens aus dem Jahr 1984.
Bayernhymne
Bayern ist eines der 4 Bundesländer in Deutschland, welches eine offizielle eigene Hymne hat. Zu meiner Schulzeit wurde die schon in der Grundschule gelehrt. Traurigerweise muss ich feststellen: heute gibt es ganz viele Kinder (und unzählige Erwachsene) die nicht mal wissen, dass es eine Bayernhymne gibt, geschweige denn, Text oder Melodie kennen. Zugegeben – wenn ein Franke bei einer feierlich gestalteten staatlichen Veranstaltung zur Bayernhymne winkt, würde ich den Fernseher auch ausschalten. Aber sei´s drum. Wir werden nun mal eben von einem Franken regiert und das soll unserer Hymne keinen Abbruch tun. Dem Rest des Textes hier auch nicht. Schließlich hat er bis dato nur die Wiesn verboten, nicht aber das Musikhören oder das schwelgen in Erinnerungen. Dem Herrgott sei´s gedankt. Die Bayernhymne jedenfalls ist ähnlich jung wie die Dirndl-Tradition. Die heutige Fassung noch viel Jünger. Für den heute gültigen Text unserer Hymne ist final Franz-Josef Strauß zuständig. Der hat natürlich den Text nicht geschrieben aber festgelegt, welche Strophen die offiziellen sind und damit einen jahrelangen Streit beigelegt.
Blasmusik und Humptata
Noch vor einigen Jahren konnte man einen deutlichen Unterschied zwischen Ballermann und Bierzelt erkennen. Heute – also besser 2019 – war in den großen Festzelten auf der Theresienwiese teilweise wenig davon zu erkennen. Aber bis heute ist es üblich, dass zur Mittagswiesn Blasmusik gespielt wird im Bierzelt. Mit Tuba und Trompete. Zünftig bayerisch. Und ehrlicherweise muss ich gestehen, ein halbes Hendl schmeckt viel besser, wenn man „Dem Land Tirol die Treue“ hört, als während „Schatzi schenk mir ein Foto“ aus den Lautsprechern dröhnt. Tatsächlich ist es so, dass einige dieser Blasmusik Stücke, die bei uns im Bierzelt gespielt werden, auch wirklich Text haben. Eingefleischte Wiesngänger wissen das nicht nur, sondern können sogar mitsingen. Schließlich kann man sich hier und da sogar in Blasmusik wiedererkennen. Hand aufs Herz, wem ging es nicht auch schon mal wie dem Franz, der über die Vogelwiese läuft und gerne einen hebt. Und weil des Bier im Zelt gut und kühl war, zu viel davon getrunken hat. „…früh am Tag war er so frisch doch Abends lag er unterm Tisch“
Wenn ich träum in der Nacht
Wenn man Blasmusik hört denkt man im ersten Moment, es handelt sich um ganz altes Zeug. Dass dem nicht so ist beweist der „Böhmische Traum“ den gibt’s überhaupt erst seit 1997 – und nicht nur als klassisches Blasmusikstück, sondern ebenso als Techno und Partyversion. Von Österreich bis Köln haben sich diverse Künstler daran bedient und mehr oder weniger schöne Versionen daraus entstehen lassen. Aber über Geschmack lässt sich ja sowieso streiten. Jedenfalls ist es so, dass der Böhmische Traum inoffiziell als Hymne der Blasmusikkapellen gilt und ohne Frage die offizielle Hymne von #koawiesn2020 wurde. Schließlich haben wir nächtelang von der Wiesn geträumt…
Ballermannklassiker
Bei Recherchen im Internet findet man unzählige Playlisten die für eine „Oktoberfest Party“ angeblich unerlässlich sind. 60% des Inhalts dieser Playlisten hat für mein Dafürhalten rein gar nichts mit unserer Wiesn zu tun. Liegt vielleicht daran, dass ich nun mehr 9 Jahren in der Bratwurst daheim bin und unser Zelt von allen Bands und Musikern und vor allem vom Chef als „Ballermann“ freie Zone erklärt wurde. Mickey Krause wird bei uns genauso wenig gecovert wie Tim Toupet. Ist im Übrigen kein ganz leichtes Unterfangen! Tatsächlich gibt es auch bei uns Gäste, die sich immer wieder Lieder wünschen bei den Bands, die ihren Erfolgs Ursprung eben am Ballermann hatten. Aber da sind die Jungs auf unserer Bühne ziemlich knallhart. Und ich kann Euch sagen: es tut der Stimmung überhaupt keinen Abbruch. In den großen Festzelten auf der Wiesn wird von „Viva Colonia“ bis „Ein Stern“ alles rauf und runter geträllert. Dazwischen wird das „Rote Pferd“ gesattelt und es endet (zumindest habe ich des gehört) bis heute immer noch mit „Angel“. Das ganze natürlich interpretiert mit Tuba und Trompete, Pauke und in Lederhosn.
Bierzeltklassiker
Was genau sind jetzt Bierzeltklassiker, die ihren Ursprung nicht am Ballermann haben? Schwierig. Ähnlich schwierig wie die Frage nach Huhn und Ei. Was war denn jetzt zu erst da? Also grundsätzlich gilt mal: hat ein Lied seinen Ursprung im Alpenländischen Raum, kannst dir relativ sicher sein, dass es erst auf der Wiesn und dann am Ballermann gespielt wurde. Interpreten wie die Spider Murphy Gang, Wolfgang Viereck oder STS haben München schon zum beben gebracht, als der Ballermann noch in den Kinderschuhen gesteckt ist. Auch Opus und die Village People tragen schon seit Jahrzenten zur Stimmung in den Bayerischen Bierzelten bei. Bei neueren Liedern wird es schwierig. Und eigentlich ist es ja auch völlig egal, ob sie erst hier oder da gespielt wurden. Eigentlich finde ich geht es mehr um den Text – und da sind wir an einem heiklen Punkt angelangt: der Unterschied zwischen Bierzeltklassikern und Ballermanngegröle liegt in meinen Augen tatsächlich im Text. Ihr wollt ein Beispiel? Gerne! Der Klassiker von Smokie „Living next door to Alice“ ist ein perfektes Beispiel. Im Original kommt das Lied ganz ohne Fäkalsprache aus. Heute singt man vom Bierzelt bis zum Strand lauthals „who the f*** is Alice“. Warum auch immer…
Alt und Neu
Die „oiden Hits“ wie „Schickeria“, „Resi i hol di meim Traktor ab“ und auch Henry Valentinos „Im Wagen vor mir“ fehlen natürlich nicht. Apropos oid: alle diese Lieder sind älter als ich. Und falls ihr jetzt meint, ich wäre eine alte Schachtel – „Las Ketchup“ ist dieses Jahr 19 Jahre alt! Natürlich kommt auch immer mal was Neues dazu. „Pocahontas“ gehört sicherlich zu den neuesten Errungenschaften der Wiesnhits. Im Vergleich zu „Cordula Grün“ allerdings erheblich schwieriger zu interpretieren. Insbesondere für eine Blaskapelle. Und im Vergleich zu all den bisher beschriebenen Liedern ist auch „Hulapalu“ ein neues Lied. Und ich glaube des wird eins dieser Lieder, welches meine Enkelkinder noch auf der Bierbank trällern werden. Denn Andreas Gabalier hat mit seinem Kunstwort 2015 einen absoluten Hit gelandet. Und das ganz ohne Fäkalsprache. Wie schön.
Musik im Ohr
So, jetzt habe ich es geschafft. Jeder von Euch hat garantiert jetzt irgendeines der obengenannten Lieder als Ohrwurm im Kopf. Trällert, pfeift oder summt irgendwas vor sich hin und schwelgt vermutlich in wunderbaren Erinnerungen eines fantastischen Wiesnabends aus den letzten Jahren. Und genau so soll es sein. Neue Erinnerungen werden wir hoffentlich nächstes Jahr wieder schaffen – bis dahin zehren wir von den alten. Und wer weiß, vielleicht schaffte es nächstes Jahr ein ganz neues Lied an die Spitze der Wiesnhits – vielleicht eins, das auch ohne schmutzige Wörter auskommt. Das wäre so wunderbar…