Nix los

noch 33 Tage – und der Rest von Heute!

Volksfest-Tagebuch Dachau 2019 – der Countdown zur Wiesn.

Heute: Sonntag, vom Boxen und der Frühschicht und von Heilmitteln zur Vorbeugung

Es gibt Tage im Bierzelt, da ist einfach nix los. Vorzugsweise sind das die Tage, wo ich Frühdienst habe. Also schon um 10 Uhr morgens im Zelt stehe. Zu dieser Zeit liegen die Bänke noch auf den Tischen, der Boden ist noch gesäumt vom Dreck der letzten Nacht, die Küche glänzt noch und der Hendlgrill ist noch kalt. Dann auf einmal wird’s laut. Die Bänke werden aufgestellt, die Tische geputzt, die Gläserwaschmaschinen laufen an. Vor den Schänken wird der Boden abgespritzt. Es wird gekehrt, gefegt und gereinigt. Und innerhalb einer halben Stunde steht des Bierzelt wieder in seiner vollen Pracht da. Die Speisekarten liegen auf den Tischen. Es riecht nach Schweinebraten und gegrillten Hendl. Und dann warten wir. Auf Gäste.

Bierzelt-Boxen – ein Ring, zwei Boxer, drei Runden und Weißwürscht

Heute ist es ein bisschen anders. Heute sind wir bereits um 8 Uhr im Zelt. Weil heute soll eine alte Dachauer Tradition wiederbelebt werden: Boxen im Bierzelt. Früher, so vor 25 Jahren war Dachau eine Hochburg des Boxens. Da kamen Namhafte Boxer aus aller Welt, um sich im eigens aufgebauten Ring mitten im Zelt zu messen. Dann musste das Boxen irgendwann dem Schafkopfen weichen. Warum auch immer. Das Schafkopfrennen in Dachau hat sich 25 Jahre lang größter Beliebtheit erfreut, wurde aber auch von Jahr zu Jahr weniger. Also brauchts was Neues. Des Dachauer Boxclub hat die Chance ergriffen und mit Engagement einen Vergleichskampf zwischen ihnen und dem Boxclub aus Traunstein organisiert. Warum die das um Himmelswillen morgens um 8 Uhr machen müssen, erschließt sich mir noch nicht, aber vielleicht wird das noch. Wie auch immer. Ich bin jedenfalls da. Das restliche Team auch. Die Tische sind geputzt. Die Küche ist noch kalt. Dafür gibt’s Weißwürscht. Und dann kommen die Gäste tatsächlich. Zahlreich. Weißwurst, Brezen und ein Spezi. Weils gestern ein langer Abend war. Da hilft ein Spezi am besten.

Im Ring wird geboxt. Kein Klitschko-Kampf. Aber die Amateur-Schwergewichte machen tatsächlich richtig spaß zum Zuschauen. Ich mag den Boxsport. Ich finde es faszinierend. Für mich ist es keine sinnlose Schlägerei. Die Körperspannung und die Körperbeherrschung. Das Taktieren und die Schnelligkeit. Mich fasziniert das. Und die Stimmung im Zelt ist großartig. Alle haben ihre Fans dabei. Da wird angefeuert und mitgefiebert. Im Vergleich zu der Totengräberstimmung beim Schafkopf eine echte Bereicherung. Eigentlich schade, dass es schon wieder vorbei ist. Ich habe zwar nicht alle Urteile des Kampfgerichts verstanden – aber das ist für mich nichts neues – schließlich habe ich im echten Leben viel mit Wertungen zu tun. Das kann man nicht immer verstehen.

Textilsauna 2.0 – in Dirndl und Lederhosn

Der Boxkampf ist zu Ende und das Zelt ist mit einem Schlag leer. Vereinzelt sitzen noch ein paar Familien bei einem halben Hendl, aber es sehr überschaubar. Zeit für eine Kaffeepause. Und eine Weißbierpause. Und Zeit fürs Strudeln. Zeit zum Ratschen. Zeit zum… Gut. Fangen wir eben wieder von vorne an. Kaffee, Weißbier, Strudelalm, Ratschen. Oh, super schon eine Stunde vergangen.

Es ist nichts los. Gar nichts. Es hat 35 Grad im Schatten. Und 45 Grad im Zelt. Und 55 Grad in der Sonne. Es ist das perfekte Wetter für See, Freibad oder im Garten grillen mit Freunden. Aber es ist überhaupt kein Bierzelt-Wetter. Für niemand. Nicht für unsere Gäste und nicht für uns. Die Suppe läuft uns runter, während wir rumsitzen. Uns. Und den Gästen. Vereinzelt quälen sich ein paar wenige zu uns ins Zelt. Bestellen sich eine Maß und stellen fest, dass die schneller verdunstet, als dass sie die trinken können.

Heilmittel zur Vorbeugung

Wie wundervoll wertvoll Lieblingsgäste sind, zeigt sich an solch einem Tag besonders. Denen ist nämlich egal, ob sie „Schwitzen wie Schwein“. Die verpacken sich in volle Montur und rumpeln ins Zelt um meine Mädels und mich abwechselnd zu einem kühlen Getränk auszuführen. Selbstredend wird hierbei äußerst penibel darauf geachtet, dass wir nur gesunde und wirkungsvolle Flüssigkeiten bekommen. Angefangen bei alkoholfreiem Weißbier. Wie ihr ja aus der Werbung wisst: isotonisch und kalorienarm. Isotonisch heißt übrigens, dass die Konzentration von Mineralstoffen und Kohlehydraten im Bier genauso hoch ist, wie im menschlichen Blut. Deswegen kann der Körper das sofort verarbeiten und aufnehmen. Nach großer Anstrengung und viel Schwitzen praktisch die beste Medizin. Anstrengend war des jetzt schon. Der weite Weg bis zur kleinen Bar vor dem Zelt.

Wenn wir mit dem Weißbier wieder repariert sind, dann beugen wir der eventuell aufkommenden Erkältung schon mal vor. Anis ist ja bekanntlich ein hervorragender Schleimlöser. Noch dazu wirkt Anis krampflösend und regt die Verdauung an. Nach einem so gehaltvollen Weißbier nie verkehrt. Wo findet sich jetzt auf einem Volksfest Anis?  Klar, beim Gyrosstand vorne an der Ecke. Eine Flasche Ouzo in Ehren kann keiner verwehren.

Tinnitus kommt nich vom Tonic!

Weiter geht’s mit der vorsorglichen Bekämpfung von Gicht und Rheuma. Schließlich sind Bedienungen auf Grund der häufig einseitigen Ernährung mit vorwiegend tierischem Fett besonders gefährdet, an Gicht und oder Rheuma zu erkranken. Weil unsere Lieblingsgäste aber auf Nummer sicher gehen wollen und wir ihnen noch viele lange Jahre erhalten bleiben sollen, werden wir nun also ausreichen mit Wacholder in Flüssiger Form versorgt. Man kann nie vorsichtig genug sein. Dass das chininhaltige Beigetränk die Sehfähigkeit beeinflusst, ignorieren wir geflissentlich. Den Tinnitus haben wir alle eh schon seit dem ersten Tusch am ersten Samstag.

Im Zelt ist immer noch nichts los. In unserem Service herrscht gähnende Leere. Also im ganzen Zelt. Nicht nur bei uns. Was solls – dann machen wir eben weiter mit den Vitaminen. Obst hatten wir schon lange keines mehr. Weil der Kieferapparat aber geschont werden muss, für die nächste Schweinebratenkruste, nehmen wir auch das Obst in flüssiger Form zu uns. Ist ja Nonsens auf einmal eine Ausnahme zu machen. Eine Runde Beerenobst. Eine Runde Kernobst. Zack. Schon wieder ist eine halbe Stunde rum und es ist endlich 16 Uhr. Nur noch 8 Stunden dann ist Feierabend. Vergeht bestimmt wie im Flug.

Zwischenmahlzeit

„Mei Mädels, ihr kennts froh sei, dass mir olle eine erste Hilfe Ausbildung hom. Wer warad sonnst jetzt da fia eich und dadat eich so effektiv vor den gesundheitlichen Gefahren beschützen?“ Ja, da hot a recht, da Jaga. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Unsere Gäste bekommen Hunger. Und vorlauter rumrennen auf dem Volksfestplatz sind alle auch ganz aufgewühlt. Was beruhigt da besser als eine Hopfenkaltschale. Dazu a große Portion Schweinsbraten und schon kann der gemütliche Teil des Tages eingeläutet werden – der Abend. Unser Service ist immer noch leer. Unsere Stammgäste sind da. Weil es tatsächlich IM Zelt am besten auszuhalten ist. Vorausgesetzt, man hat zu Hause im Garten keinen Pool! Ansonsten besticht das Zelt durch gähnende Leere. Natürlich kann man als Bedienung in so einem Fall nicht einfach heim gehen. Nein. Wir bleiben natürlich da. Es könnte ja noch ein Bus kommen. Oder Ein Gast der Spätschicht hatte. Oder… keine Ahnung warum wir alle noch da sind.

Überaschungsgäste über die man sich besonders freut

Es könnte allerdings auch noch ein Gast kommen, der grade erst vom Rhein-Besuch zurückgekehrt ist. Wie wäre es schade, wenn ich jetzt nicht mehr da wäre. Direkt aus der Stadt mit K zu mir ins Bierzelt. Auf ein Hendl und eine Maß und natürlich auf ein Weißbier mit mir! Und einen Ratsch. Und jetzt weiß ich wieder warum ich die Tage, an denen mal nichts los ist, auch so ganz besonders gerne mag. Weil man Zeit hat zum Ratschen. Mit denen, die mal viel zu selten sieht.

Der Anfang des Abends ist ganz gut rumgebracht. Nur noch 4 Stunden bis wir zusperren können. Die Stammgäste sind mittlerweile heimgegangen. Die Lieblingsgäste stehen an der Bar. Andere Gäste – haben wir nicht. Ja was mach ma jetzt? Genau. Volksfest genießen. Wir machen jetzt eine Kreuzfahrt mit Freiwildjagt, Gondelfahrt und Spezialitäten Verkostung. Oder wie´s am Volksfest heißt: Oa moi Rund um an Tegernsee, Sterndal Schiaßn, Riesenrad und dann a Tüte gebrannte Mandeln.

Volksfestleben – same, same but different

Gesagt getan. Selbstredend gabs der Kreuzfahrt auch echte Tierliebhaber, die Fische füttern mussten. Des gehört ja dazu. Im Riesenrad wars riesig ramontisch: der Blick von Dachau aus über das sternenklare München ist nur noch durch eine Riesenradfahrt auf der Wiesn zu toppen. Und handwarme gebrannte Mandeln machen jedes Volksfest dem was es ist: ganz besonders.

Einzig bei der Freiwildjagt, also beim Sterndal schiaßen, da muss ich bissi ausholen. Weil gar a so lustig war. 8 g´standene Mannsbuida und 3 Bierzeltbedienungen stehen an dem Schießstand. Jeder 10 Schuss. Der Leutnant Oberhäuptling beginnt. Legt des Gewehr an, zielt und es passiert: nix. Er kann den Abzug nicht betätigen. Schwäche durch Unterhopfung wird sofort die Diagnose gestellt. Ich glaube allerdings eher, dass zu wenig Wacholder-Flüssigkeit eine beginnende Gicht erahnen lässt. Dann ist der nächste dran. Da geprüfte Jaga schreitet zur Tat und zack. Der erste Hase ist getroffen. Alle applaudieren, bis zu dem Moment wo jeder für sich feststellt, dass eigentlich die Sterndal des Ziel gewesen wären. Jetzt wäre ich an der Reihe, aber ich unterhalte mich grad so nett und gebe zu verstehen, dass jemand anderes zu erst schießen soll: „Geh Paula, de Sterndal san aus Plastik, des daud denen ned weh, wennst das daschiaßt!“ Des ist natürlich ein schlagendes Argument und so schreite ich zur Tat… Anlegen, Zielen, Schuss, Treffer. Ich kann des. Schließlich hat mein Opa immer mit mir geübt. Und die Mama. Und am Ende ich. „Da schau her, da kenna sich de Flinten-Uschi und de Panzer-Annegret no bissi was abschauen vo unserer Ziel-Paula!“ Ja, so is.

„Ich hab zwei weiße Einhörner geschossen“

Am Ende gibt´s zwei weiße Einhörner. Für meine beiden Quietschies! Die kommen morgen zu besuch. I g´frei mi scho so vui! Endlich hat die Musik aufgehört. Wir dürfen die Bänke auf die Tische legen. Aufstuhlen. Feierabend. War des ein langer Tag heute. Und so vui schee. A Betthupferl gibt’s auch noch. Gummibärli, aus der Stadt mit K. Dat is wie ne ritt am Schöckelpäd!!!

 

Notiz: alte Tradition neu entdeckt – vorbeugen ist besser als heilen – ab Freitag is  wieder so richtig schee!

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