Stadtschreiber

Auf einen Ratsch mit W. A. Riegerhof – der Stadtschreiber von Minga

noch 16 Tage – und der Rest von Heute!

Tagebuch 2019 – der Countdown zur Wiesn.

Heute: Auf einen Ratsch mit dem Stadtschreiber oder: wie man die Vorfreude auf die Wiesn gemeinsam verdoppelt

unverwechelbares blau

Der Spätsommer ist in München eine ganz wunderbare Zeit. Weil der Himmel sich an schönen Tagen von seiner ganz besonderen Seite zeigt. Da hat er ein blau, welches es nur in München gibt. Ganz kräftig blau. Es ist kaum ein Verlauf zu sehen, geschweige denn ist ein Wölkchen am Himmel. Es ist dieses Löwen-Blau. Es ist das Augustiner-Blau. Es ist energiegeladen, satt, freundlich, spannend und es ist Heimat. Genauso wie die Münchner auch. Die sind Anfang September auch alle energiegeladen. Weil sie grade aus dem Urlaub am Gardasee zurück sind. Weil sie sich über den Sommer erholt haben und Kraft getankt haben. Egal wo. Daheim, am Strand, am Berg oder sonst irgendwo. Die sind alle „satt“ vom Sommer. Von der Hitze. Es ist schön jetzt, bei 25 Grad in der Sonne. Mehr braucht es nicht. München ist zu dieser Zeit gespannt – gespannt was kommt, was es dieses Jahr wieder wird, was es dieses Jahr wieder für Geschichten zu erzählen gibt. Die Wiesn steht vor der Tür, ist in aller Munde und wenn man möchte, dann kann man das in München fühlen. Die Vorfreude und das Kribbeln und selbst das Herzklopfen der Stadt.

Ratschen am Viktualienmarkt

Am Viktualienmarkt treffen sich in diesen Tagen die Münchner besonders gerne. Auf einen Kaffee, auf ein Bierchen, auf einen Ratsch. „Wie war denn dein Sommer?“ oder „Mei, schee. Jetzt hamma uns scho lang nimma g´seng!“ Man trifft sich, man sieht sich und man freut sich gemeinsam auf die nächsten Wochen.

Der Stadtschreiber von München W. A. Riegerhof

Ich war auch auf dem Viktualienmarkt heute. Hab viele gesehen aber einen getroffen, den ich schon lange mal treffen wollte. Der Stadtschreiber von München hat seinen Spätsommertag in der Kaffeerösterei am Viktualienmarkt gestartet. Und er hat sich ein bisschen Zeit genommen auf einen Ratsch mit mir.

Aus der Steiermark nach München

Unverwechselbar und echt steht er mit seiner Sonnenbrille und einem Hut an einem Stehtisch in der Sonne. Er fängt an zu erzählen von seinem München, in das er vor 35 Jahren gekommen ist. Aus der Steiermark.

Er hat die Stadt kennen und lieben gelernt wie kaum ein anderer. Weil er sich die Zeit genommen hat, sich drum zu kümmern. Sich rein zu leben. Die Stadt, ihre Menschen, ihr Tun und Handeln zu verstehen. Allen voran natürlich die Münchner Nachtszene damals in den 80ern. Da kannte er jeden Schuppen und genaugenommen auch jeden DJ. Die Türsteher, die Kellner und allem voran natürlich das Münchner Publikum. Während er so erzählt, wie des damals war, fühle ich mich für einen Moment in die Zeit versetzt, wo der Monaco mit dem Manne zusammen die Elly sucht – beim Thomas Gottschalk an der Tür müssen die beiden lernen wer oder was IN ist. Der Stadtschreiber wusste, und weiß, was IN ist. Er hat für Szene-Magazine geschrieben. Er hat mit denen gesprochen, die hinter den Kulissen dabei sind. Irgendwie hat München sich ihm offenbart. Auf eine Art, die nicht jeder kann. Die man erfahren wollen muss.

1984 Augustiner Schänke 2

Natürlich ist ihm nicht alles sofort verständlich gewesen. Mit einem Grinsen auf den Lippen verrät er mir: „die Wiesn war mir nicht klar. Das Menschen Urlaub einreichen, um da hin zu gehen. Das habe ich erstmal nicht verstanden. Ich habe diesen Hype nicht verstanden.“ Dann erzählt er, dass es der Konstantin Wecker war, der ihn damals 1984 das erste Mal mitgenommen hat auf die Wiesn. „und es war genau so, wie in dem Lied, das er kurz vorher rausgebracht hat. „wieder Dahoam“, des hab ich mir natürlich angehört und als ich dann auf der Wiesn gestanden bin, im Augustiner, an der Schänke 2, da habe ich es ein bisschen verstanden. Was er meint. Der Konstantin.“

Mit diesem Satz sind wir beide gleich voll drin in der Vorfreude auf die Wiesn. Gestern war er schon an der Theresienwiese und ist einmal rum gelaufen um die Wiesen, erzählt er. Er hat sich angeschaut, wie überall fleißig aufgebaut wird. Das fasziniert ihn, wie das alles so entsteht. Jedes Jahr wieder. Und es macht ihm auch ein bisschen Sorgen, dass sich so viel verändert. Dass so viel Neues kommt, was es vielleicht gar nicht unbedingt braucht. Weil das Traditionelle, insbesondere das Münchnerische eigentlich reicht. Aber die Münchner Tradition geht an vielen Ecken viel zu schnell verloren.

Münchnerisch – Gibts des eigentlich noch?

Was ist denn „münchnerisch“? Frage ich ihn und er überlegt. „Es ist als erstes Mal die Münchner Mundart. Dieser Dialekt, der so ganz anderes ist als einfach Bayerisch. Den sprechen nur noch viel zu wenige. Und München steht für seine Unikate. Für Typen. Die so sind, wie sie sind, nicht wie die Gesellschaft sie haben will. Das war schon früher so. München hatte immer Unikate. Bekannte und weniger Bekannte. Münchnerisch ist aber vor allem auch das Echte und das Bodenständige. Wenn einer keiner Lederhosn anziehen will auf die Wiesn, dann macht er das nicht. Weil er ist Münchner und er braucht keine Tracht um das zu beweisen. Das ist Münchnerisch.“

München und die Tracht

Natürlich, die Tracht und München – ein ewiges Thema. Fast so ergiebig wie das Thema Zuagroaste. Das ist der Stadtschreiber ja auch. A Zuagroasta. Aus der Steiermark. Außer an seinem Dialekt merkt man das aber an nichts mehr. Er ist Monacosiert. Dahoam in München und das nimmt man ihm in jeder Sekunde ab. Übrigens: ich kann es nicht Minganisiert nennen – weil ich nie Minga sage. Für mich ist es München. War es immer. Ist es immer. Wird es immer bleiben. Ich finde Minga nicht schön. Das ist aber mein persönliches empfinden. Das ist so wie mit anderen Abkürzungen von Namen. Ich kann da ein Lied von singen – ich werde nie eine Fränzi werden – und wenn die, die es sagen noch 100 Jahre leben würden. Für mich bleibt es München und Monaco di Bavaria und meine Stodt. Der Stadtschreiber sagt Minga zu München und es ist das erste Mal, dass es mir nicht die Nackenhaare aufstellt, wenn ich des Wort höre. Da liegen so viel Leidenschaft, Stadtliebe und Achtung drinnen, wenn er des sagt. Damit kann ich leben.

Der Stadtschreiber verrät mir, dass er als Bua in der Steiermarkt ständig, dauernd und immer Lederhosen tragen musste und dass ein paar Jahre gedauert hat, bis er in München gerne eine Lederhosn angezogen hat. Jetzt aber, trägt er seine Krachlederne gerne und mit Stolz. Auf der Wiesn und auch sonst manchmal.

Die perfekte Wiesn – fängt beim Hinfahren an

Jetzt möchte ich noch wissen, wie der perfekte Wiesntag bei Stadtschreiber aussieht. Und er muss wieder grinsen. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich meinen er bekommt beim Gedanken daran ein bisschen Gänsehaut. Seine Augen jedenfalls Leuchten: „Es gibt viele verschiedene perfekte Wiesntage. Das liegt immer ein bisschen daran, welcher Tag es ist. Der erste Wiesnsamstag zum Anstich ist anders perfekt wie ein Tag unter der Woche. Es braucht andere Rituale und es sind andere Dinge wichtig.“ Er überlegt kurz und grinst dann wieder: „was aber grundsätzlich gilt: die Wiesn fängt schon vor der Wiesn an. Also bei der Hinfahrt. Das ist nämlich ganz und gar nicht egal wie du dahin kommst. Es braucht auf dem Weg schon diesen Flair, die Stimmung in der U-Bahn und vor allem braucht es einen Münchner U-Bahn-Fahrer, den es gefühlt nur zur Wiesn gibt: der in guten, alten Münchnerisch: „U fümpf Richtung Leima Blotz, Z´ruck bleim bitte“ durch die Lautsprecher nuschelt. Des ist der Moment, wo die Wiesn los geht. Des erste Mal kribbelt es dann an der Stelle wo man begleitet von der Stimme des Münchner-U-Bahn-Unikat selbige unter folgenden Anweisungen verlasst: „Liabe Fahrgäste, mir warn jetz do. Steigts langsam aus und duads ned drängeln. Kemma olle naus. An scheena Dog  auf da Wiesn wünsch i Eich und saufts ned so vui!“ Oben auf der Theresienwiese angekommen sind es die Geräusche, die Leit und vorallem aber die Gerüche, die die Wiesn ausmachen. Diese Mischung aus Gebrannten Mandeln, Steckerlfisch, Hopfen und Pferd, dazu die Münchner Herbst Luft. Des gibt’s nur hier. Des kann man nicht nachbauen. Nirgends auf der Welt. Des kann nur die Wiesn in München.“

Vorfreude und Gänsehaut

Ich glaube wir grinsen jetzt beide ums ganze Gesicht. Weil wir es uns beide vorstellen können. Und ich merke wie mir die Gänsehaut der Vorfreude über den Rücken läuft. „Weißt, wenn a Wiesntag so anfängt, dann kann er sich entwickeln. Dann kommt des oder jenes. Dann trifft man den oder jenen. Alte Bekannte und neue Gesichter. Aber nur, wenn man die alten Wege manchmal verlässt, dann kann man neue Erfahrungen machen. Des ist auf der Wiesn so wie im Leben. Die Perspektive muss ich manchmal ändern. Es ist was anderes, ob du durch den Hintereingang in ein Zelt kommst, oder durch den Haupteingang. Es macht einen Unterschied, ob du schnell oder langsam gehst. Ob du hintrum oder vornrum läufst. Jeder Weg, jede Begegnung, jeder Tag für sich kann ein guada Wiesntag werden. Des muss man auf sich zukommen lassen.“

Ich nicke. Weil des verstehe ich sehr, sehr gut.

Einzig, und das sagt er jetzt mit Bestimmtheit und das Lachen verschwindet auch von seinem Gesicht: „Einzig was mich wirklich nervt, wenn die Leit gleichzeitig in 3 verschiedene Zelte sind. Wenn die sagen, ja wir treffen uns, aber ich bin dann auch vorn in der Fischer-Vroni und hint im Käfer. Wenn die Leut so san, dann brauch die mi ned. Dann muss i mi auch ned mit dene treffen. Des nervt mi. Entweder ma macht was aus und nimmt sich Zeit, oder hoit ned. Diese Ungemütlichkeit auf drei Hochzeiten gleichzeitig zu tanzen – des back i ned.“ Und auch des kann ich jetzt sehr gut nachvollziehen. Des nervt mich aber immer, nicht nur auf der Wiesn.

Der letzte Wiesntag

Bevor unser schöner Ratsch jetzt gleich zu Ende geht: „es geht auch die Wiesn mal zu Ende. Und der letzte Wiesntag hat immer einen ganz besonderen Zauber. Was macht der letzte Wiesntag mit dir?“ frag ich noch zum Schluss und merke irgendwie gleich – des ist beim Stadtschreiber anders als bei mir. Des Gefühl beim Gedanken an den letzten Tag Wiesn. Bei mir ist das eine Mischung aus Erleichterung, Freude, Erschöpfung, Wehmut, Abschiedsschmerz und Vorfreude auf Daheim. Lange lässt er mich aber nicht nachdenken, bis er sagt: „Weißt, ich hab mal vor vielen Jahren am letzten Sonntag auf der Wiesn meine Beziehung beendet. Weil da so ein „Aus is und gar is“ in der Luft liegt. I bin dann lange Zeit nimmer auf die Wiesn gegangen am letzten Tag. Aber jetzt geht’s scho wieder. Eine komische Erinnerung bleibt mir aber. Mein letzter Wiesntag ist anders als andere.“ Jetzt grinst er wieder.

Münchner Lebensg´fühl

In München am Viktualienmarkt stehen, 16 Tage vor der Wiesn, bei strahlend blauem Himmel und über das Reden, was die Wiesn wirklich ausmacht – des ist Münchner Lebensgefühl. Es geht nicht um Saufen, nicht ums Bier, nicht um Feiern auf der Bank mitten im Zelt. Es ist nicht die oide Wiesn oder der Schottenhammel, es ist nicht das Hippodrom das fehlt, oder der Käfer mit all seinen Promis – die Wiesn ist des Riesnradl, der Duft nach Mandl, Steckerlfisch, Hopfen, Pferd und hoibe Hendl, das Treffen mit alten Bekannten und neuen Freunden. Es ist ein ganz besonderes Gefühl. Es ist die Hoffnung, dass Tradition und München noch lange erhalten bleibt und es ist die Freude daran, dass viele Menschen aus aller Herren Länder zusammen gemeinsam feiern. Es ist der Wunsch, dass ein bisschen was Altes neu belebt wird und es ist Münchner Gefühl in jeder Sekunde. Ob es Regnet oder die Sonne scheint. Wiesn ist nur dann echt, wenn es von allem ein bisschen was gibt. Und es ist egal, ob in Jeans oder Tracht. Egal ob Mandal oder Weibal. Echt muss es sein. Ehrlich muss es sein und es muss ein bisschen Münchner Original sein. Ein bisschen.

Vielen Dank

Lieber Stadtschreiber, ich danke Dir von Herzen für die gemeinsame Vorfreude. Für Deine Sicht der Dinge und für Deine Zeit. Ich freu mich auf eine gemeinsame Maß im Biergarten am unkonventionellsten Stammtisch der Wiesn. Bis boid.

 

Notiz: es sind die kleinen unscheinbaren Dinge, die es ausmachen – es ist alt aber nicht von gestern – „sogar die Wiesn is ma no ned zwida, da hoit i mir jedes Jahr a paar Dog frei, da triff i dann des oiden Feinda wieder, natürlich Augustiner, Schänke 2!“

Hier gibts Konstantin Wecker zum nachhören

 

Wer mehr über den Stadtschreiber erfahren will, hier gibts eine Geschichte über ihn und hier bekommt man seine Münchner G´schichten

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1 Kommentar

  1. Barny
    6. September 2019 / 15:57

    Sehr schöner Text – vielen Dank.

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