noch 38 Tage – und der Rest von Heute!
Volksfest-Tagebuch Dachau 2019 – der Countdown zur Wiesn.
Heute: Dienstag, ein Bierzelt lebt von seinen Gästen – die Bedienung auch
Der 5. Tag Dachauer Volksfest. Zumindest für die meisten. Am Freitag hatten ja Dachau und die Belegschaft aus dem großen Zelt schon Gas gegeben. Heute wird es wohl ein bisschen ruhiger werden. Zeit zum Luft holen. Für alle. Für die Gäste und auch für uns.
Wenn ich die letzten 5 Tage Revue passieren lasse dann bleibt unter dem Strich die Bestätigung: ich mag mein Bierzelt-Dachau. Nicht zu Letzt, wegen all der verrückten G´schichten, die mir und den Kollegen so passieren im Bierzelt. Des schönste am Dachauer Volksfest aber ist, dass so viele Gäste, Freunde und Bekannte zu besuch kommen, über die ich mich wirklich richtig freue. Stammgäste von der Wiesn fahren extra raus nach Dachau, um schon mal ein bisschen Bierzelt-Luft zu schnuppern, bevor es in München los geht. Freunde aus Hamburg kommen extra nach Dachau, weil es ihnen auf der Wiesn eh zu voll ist und ich in Dachau auch mal Zeit für einen kleinen Ratsch hab. Bekannte aus München rumpeln nach Dachau – weil´s irgendwie ein gemütliches Volksfest ist.
Es sind aber auch die Gäste aus Dachau, die jedes Jahr – nein völlig falsch – die jeden Tag da sind. Die ich zum Teil schon seit meinem ersten Jahr als Dachau-Bedienung kenne. Wegen all denen ist es ein so schönes Bierzelt.
Die besten Gäste
Wenn ein Bierzelt los geht, dann checkt man als Bedienung im „real-life“ aus und begibt sich für die Dauer des Festes komplett in den Bierzeltmodus. Keine Zeitung. Kein Radio. Kein Kaffee aus Tassen. Keine Jeans. Man lebt irgendwo zwischen Dirndl und Schlafanzug. Waschmaschine und Dusche. Unnötige Wege vermeidet man tunlichst. Arbeiten im Haushalt liegen brach. Des ist ganz normal.
Umso schöner ist es dann, wenn man Lieblingsgäste hat, die einem irgendwie ein bisschen „real-life“ ins Zelt bringen. Sei es nur in Form von Kaffee in echten, richtigen Tassen. Aus dem Kaffee-Zelt 50 Meter weiter. Großartig.
Meine Lieblingsgäste muss ich in verschiedene Kategorien einteilen. Einfach, weil sie sehr verschieden sind. Und jede Kategorie Lieblingsgast ist besonders wertvoll. Alle zusammen aber machen mein Bierzelt zu dem, was es unter dem Stricht ist: Urlaub vom Ich.
Die, die immer da sind
Die, die immer da sind, sind auch im Bierzeltmodus. Die kommen ja jeden Tag. Ein paar von denen gehen zwischendurch „Alibi-mäßig“ noch in die Arbeit. Ich möchte allerdings behaupten, dass diese Arbeitstage nicht zu den Produktivsten im Jahr gehören. Direkt nach Feierabend geht’s aber sofort los ins Zelt. Ein Großteil aber geht nur heim, um zu Duschen, zu schlafen und am nächsten Tag ein frisches Hemd oder Dirndl anzuziehen. Das ist auch großartig. Einfach weil die ihre Bierzeltzeit genauso sehr leben und lieben, wie wir das tun. Wer das noch nie gemacht hat, dem stellen sich an dieser Stelle sicher einige Fragen. Warum? Wieso? Und WAS? Was tut man jeden Tag im Bierzelt? Warum macht man des? Wieso Bierzelt? Ganz ehrlich? Ich kann Euch das nicht beantworten. Das kann man nur selbst erleben. Den Teil des Tages, den ich von diesen Gästen mitbekomme, den kann ich gut nachvollziehen. Man trifft sich. Man ratscht. Man trinkt Bier und isst Schweinsbraten. Man sitzt gemütlich am Biertisch und steht ewig am Klo an. Man zieht von Zelt zu Zelt und trifft überall jeden Tag die gleichen Leute. Und des ist einfach schön.
Und weil die immer da sind, haben die auch Zeit mit mir zu ratschen. Über Gott und die Welt und das Leben und das Grundsätzliche und das Banale. Da sitzt man am Nachmittag einfach zusammen am Biertisch und unterhält sich über die wirklich wichtigen Dinge des Lebens: ob Kaiserschmarrn gerissen oder geschnitten wird. Ob Eierlikör besser schmeckt, wenn man ihn mit Cognac statt mit Rum macht. Ob man Lederhosen auch mit T-Shirt tragen kann. Ob die Jugend von heute gar kein Traditionsbewusstsein mehr hat, oder ob das vielleicht grade wieder besser wird und auflebt.
Apropos: Die meisten meiner „immer da“ Lieblingsgäste kenn ich nur in Dirndl und Lederhosn. Die habe ich noch nie in einem Sommerkleid oder mit Jeans gesehen. Klar. Ich seh die ja nur im Bierzelt. Die im Übrigen kennen mich auch nur im Dirndl. Genauso verhält es sich auch mit dem Großteil der Kolleginnen und Kollegen. Mit Jeans und T-Shirt würde ich wahrscheinlich die Hälfte nicht mal erkennen.
Die Fürsorglichen
Ein Kaffee am Nachmittag. Ein Stück Kuchen. Ein bisschen Schokolade. Ein Red Bull. Ein kühles Augustiner. Pausenbegleitung. Ein vorbestelltes Weißbier, weil die Pause so kurz ist. Ich habe unbeschreiblich fürsorgliche Lieblingsgäste. Die kommen mit einem schlechten Gewissen erst am Nachmittag und haben als Entschädigung einen Kaffee dabei. Das schlechte Gewissen, weil sie den halben Tag verschlafen haben, den Kaffee, weil sie wissen, dass ich auch gerne den halben Tag geschlafen hätte. Die fragen nach, wann ich Pause machen kann und bestellen fünf Minuten vor Pausenbeginn ein Weißbier, damit ich des in Ruhe trinken kann. Deswegen begleiten die mich natürlich auch in meiner Pause. Klar. Die wissen ganz genau, dass ich für ein Stück Schokolade sterben kann. Einfach weil Schokolade im Bierzelt bei 40 Grad keine Überlebenschancen hat, wenn ich mir die einpacke, bringen die sie dann mit. Die kümmern sich einfach gut um uns Bedienungen.
Die seltenen Gäste
Ich habe Gäste, die niemals nach Dachau aufs Volksfeste fahren würden, wenn ich da nicht arbeiten würde. Die kommen da hin, um mich zu besuchen. Das ist herrlich. Zugegeben, alldiejenigen freuen sich auch besonders darüber, dass sie jetzt endlich einen triftigen Grund haben, das Trachtengwand aus dem Schrank zu holen und schon mal einen Abend für die Wiesn zu üben. An den Abenden wo die Gäste da sind, macht mir das Arbeiten besonders viel Spaß. Weils immer lustig ist mit denen. Weil die keinen Stress haben, dass sie verdursten. Weil die keine Angst haben, dass sie verhungern. Weil die von haus aus, die bayerische Bierzeltgemütlichkeit intus haben. Die kommen während des ganzen Volksfestes nur einmal, vielleicht zwei Mal vorbei. Aber es ist immer besonders. Vor allem auch, weil ich weiß, was für Fahrtwege, die auf sich nehmen.
Dann gibt es da noch seltene Gäste, die von Haus aus einfach nur einmal im Jahr nach Dachau kommen. Weil ihnen des glangt, oder sie im Urlaub sind oder die zweite Heimat am Rhein ruft oder warum auch immer: die paar Stunden, die sie dann aber mit mir im Bierzelt verbringen, sind herrlich.
Die besten Gäste
Sind alle oben genannten zusammen. Und des sind meine. Ich möchte behaupten, 95% meiner Gäste sind toll. Klar. Ich hab jeden Tag aufs Neue ein paar Patienten im Service, die noch dazu lernen müssen, aber die meisten Gäste sind toll. Und deswegen ist bedienen im Bierzelt für mich Urlaub vom Ich. An dieser Stelle: schön, dass es Euch gibt.
Notiz: ich mache das Nachts – wo ist eigentlich diese Strudelalm – 3 Kaffee, 1 RedBull