noch 34 Tage – und der Rest von Heute!
Volksfest-Tagebuch Dachau 2019 – der Countdown zur Wiesn.
Heute: Samstag, Bedienungen werden nicht krank. Uns fehlen die Enzyme
Es geht auf die Dachauer Zielgerade! Das letzte Wochenende ist angebrochen. Nur noch drei Tage, dann ist schon wieder alles vorbei. Verrückt wie schnell das geht.
Sommergrippe
Bei uns im Bierzelt ist die Sommergrippe ausgebrochen. Beim Team. Überall. Es wird gehustet und gerotzt! Ja genau so. Husten, Halsweh, Heiserkeit. Gut. Ich bin ja eh immer heiser. Weil die Musik immer so laut ist. Weil ich gerne mitsinge. Weil ich einfach immer heiser bin. Das ist nichts Besonderes. Meine Kolleginnen und Kollegen sind aber zum Teil richtig krank. Mit Fieber und Schüttelfrost und Kreislaufproblemen. So was gibt’s eigentlich nicht im Bierzelt? Doch gibt’s. Tatsächlich. Und bei dem diesjährigen Wetter auf und ab während der Volksfestzeit ist des eigentlich auch nicht verwunderlich. Brüllende Hitze, Schwitzen – Regen, kalt, Wind. Dann wieder schwitzen und dann im Durchzug stehen, weil grad keiner was trinken will. Da zerbröselt es schon mal den ein oder anderen. Wenn es richtig schlimm ist, dann sagt selbst der härteste Bedienungskörper STOP! Es geht nicht mehr. Dann ist einfach Schluss. Die meisten schleppen sich egal in welchem Zustand ins Bierzelt und tun das, was sie tun müssen. Mit dem Kopf unter dem Arm. Weil man auch gar keine andere Möglichkeit hat. Was soll man denn tun? Die Gäste zum Self-Service animieren? Die Kollegen im Stich lassen? Geht nicht. Also Augen zu und durch. Aber manchmal hilft alles Zähne zambeißen nichts mehr. Dann muss man einfach im Bett liegen bleiben. Und dann schaffen die anderen das auch allein. Passiert eh selten genug. Aber es passiert. Bei uns im Team ist es auch passiert. Unsere gute Ute war heute einfach wirklich richtig krank. Kein Problem. Das schaffen wir schon. Sie war auch nicht die einzige im Zelt, die es zerlegt hat. Da waren noch andere Grippen und Kreislaufkollaps und sogar Verletzungen wie gebrochene Arme und abgerissene Bänder. So ist des halt im Bierzelt. Da passiert schon mal was. Aber alles kein Problem. Wir ziehen des durch. Wir, die gesund sind.
Tetris oder Blinde Kuh
Wenn aus einem 4er Team einer ausfällt, dann müssen die drei anderen halt bissi mehr hackeln. An unseren Tischen hatte jeder einzelne Gast Verständnis! Jeder! „Ein Wasser, ein Spezi, eine Maß“ war die erste Bestellung. „Mögts ihr auch was Essen?“ frage ich kurz. Nachdem die Antwort widererwartend ja lautete, habe ich vorgeschlagen, dass ich die Maß bringe und die beiden AfG´s zusammen mit dem Essen. Weil wir die alkoholfreien Getränke gleich neben der Küche holen müssen und heute natürlich den weitesten Weg haben. Kein Problem für meine Gäste. Wunderbar. An allen anderen Tischen haben wir bescheid gesagt, dass sie AfG´s frühzeitig bestellen soll, dann können wir sammeln, keiner muss ewig warten und wir müssen nicht dauernd für einzelne Flasche laufen. Hat wunderbar geklappt. Weil wir einfach großartige Gäste haben.
Beim Tische abräumen hat es sich ähnlich verhalten. Wir haben schließlich 2 Hände weniger, die mitanpacken können. In solchen Situationen stellt sich schnell raus, welche Bedienung ihre Kindheit mit Tetris verbracht hat – und welche lieber Blinde Kuh gespielt hat. Stellen wir fest: das Team Paula besteh aus Tetris-Spezialisten. 9 Teller, 2 Schüsseln, Besteck, gebrauchte Servierten, 3 leere Maßkrüge und 5 leere Flaschen – kein Problem. „Des nimm i ois mit!“
Ein Rückblick
Die Paula ist auch schon in sämtlichen Aggregatszuständen im Bierzelt gestanden. Von flüssig vom Fieber über steinhart vom Gips. Nicht kommen ist bis dato noch keine Option gewesen. Es zwickt und zwackt sowieso überall. Vom Muskelkater, vom vielen Laufen, vom schweren Heben. Es ist noch gar nicht so lange her, da hat so gar die Paula überlegt, ob sie nicht vielleicht doch daheimbleiben muss. Es war damals der letzte Volksfest Tag. Am Abend vorher ist das passiert, wovor ich tatsächlich Zeit meines Lebens immer „Angst“ hatte. Allerdings in einer anderen Art. Wenn mich jemand gefragt hat, ob ich Angst vor den Besoffenen habe, hab ich immer gesagt: „Na, vor denen nicht. Nur davor, dass mal einer mit seiner Maß von der Bierbank fällt und auf mir landet.“ Ja tatsächlich ist das des einzige, wovor ich Respekt hatte. Damals trug es sich allerdings so zu, dass mir ein Gast absichtlich seinen leeren Maßkrug über den Schädel gezogen hat. Geblutet hat nix. So ein Holzkopf hält schon einiges aus. Aber wehgetan hat es trotzdem. Und eine dicke Beule ist entstanden. Wie so häufig war der nächste Tag weit schlimmer! Da hat der Kopf gedröhnt. Die Augen haben nicht scharf gesehen. Der Arm ist eingeschlafen. Daheim im Bett bleiben? Keine Option. Ich kann doch mein Team nicht allein lassen. Kassieren konnte ich nicht, weil ich die Münzen nicht richtig erkannt habe. Aber abräumen ging. Meinen Schlitten konnte ich auch nicht tragen – aber Gäste konnte ich bespaßen. Auch an diesem Tag, haben wir feststellen können: wir haben die besten Gäste der Welt. Alle hatten Verständnis dafür, dass es ein paar Minuten länger gedauert hat.
…weil wir einen Knall haben
Warum wir nicht einfach daheimbleiben, wenn wir krank sind? Ehrlich. Ich kann es euch nicht sagen. Vielleicht, weil wir wissen, dass wir unsere Kollegen im Stich lassen. Vielleicht, weil wir eigentlich „Selbstständige“ sind. Vielleicht, weil wir wissen, dass es in ein paar Tagen vorbei ist. Vielleicht, weil wir einfach nur einen Knall haben. Vielleicht aber auch, weil wir diesen Job einfach lieben. Gerne machen. Weil wir nach dem Ende eines Volksfests ja wieder Zeit haben, uns zu erholen.
Unsere Gäste, also die, die immer da sind, sind im Übrigen genau so verrückt wie wir. Die gehen auch in sämtlichen Zuständen ins Bierzelt. Mit Krücken, mit Fieber, mit Gliederschmerzen und mit Ehekrieg. Egal welche Krankheit die haben, die bleiben auf keinen Fall daheim. Das ist es, was es ausmacht. Das wir zusammen feiern und zusammen leiden. Und dass wir uns gegenseitig auch helfen bei der Genesung! Ihr könnt ja gar nicht glauben, wie viele Hausmittelchen auf einem Volksfest zu finden sind. Hopfen, Anis, Elektrolyte. Alle samt höchst gesundheitsfördernd. Dazu aber morgen mehr. Heute muss ich ins Bett. Es war anstrengend. Die vielen Teller. Die vielen Maß´n. Die vielen Brezen – „ja, ich bin noch im Dienst. Was brauchst? Eine Breze? Sehr gerne. Sonst noch jemand was alkoholfreies?“
Notiz: Einer für alle und alle für Einen – gut, dass ihr nicht mehr da wart, letztes Jahr – na, na… geht scho wieder