Der Watzmann reloaded

noch 49 Tage – und derRest von Heute!

 

Kult. Das Wort „Kult“ ist ursprünglich etwas Religiöses. Die Menschen verehrten schon Götter, als sie noch in Stämmen zusammenlebten. Daher kommt auch das Wort Stammeskult. Etwas, das mächtig und wichtig ist. Wenn wir etwas als Kult bezeichnen, sprechen wir aber nicht mehr von Götterverehrung. Wir meinen damit etwas Wichtiges, das viele Menschen sehr gerne mögen. Dabei muss es nicht einmal besonders wertvoll sein. Kult ist etwas, das sehr viele Fans hat: eine Fernsehserie, eine Band, manchmal nur ein Lied oder der Watzmann. Das Musical von Wolfgang Ambros, Joesi Prokopetz und Manfred Tauchen. Das ist Kult. Und jetzt wagt sich ein Münchner Autor zusammen mit einem Münchner Kabarettisten dran, diese Kult-Musical Neu zu inszenieren. Weil „de Oiden“ des nicht mehr aufführen. Weil der Kult aber nicht sterben soll. An dieser Stelle gibt es nur zwei Meinungen: das ist eine gute Idee oder das ist totaler Schmarrn. Das macht man nicht. Verfechter der zweiten Meinung haben oftmals schon recht gehabt: altes auf neu gemacht wird selten gut. Und beim Watzmann ist es ein besonders schweres Erbe, was die beiden inklusive der ganzen Crew, da antreten. Mutig. Eine Herausforderung. Unmöglich? Nein, das sicher nicht. Aber eben auch nicht einfach.

Nichts desto trotz, es ist geschehen. Im Deutschen Theater in München läuft aktuell die Neuinszenierung des Watzmann.

Die Geschichte

Der Berg steht noch immer da. Groß und mächtig. Schicksalsträchtig. Angeblich haben Bauer, Bua und Knechte jetzt keine Angst mehr vor den Naturgewalten, die Angst ist dem Hightech der Neuzeit gewichen: Geld machen mit Tourismus. Skifahrer im Winter, Wanderer im Sommer. Mit Gondel und Sessellift. Mit Skischaukel und Apresski. Im Sommer soll der Stodara aber das echte Bergleben kennen lernen. Auf der Alm. Mit Holzschüssel und ohne fließendes Wasser. Viel Wahrheit in der Geschichte.  

Was ist neu?

Der eine will den Berg retten, der andere sein eigenes Bankkonto. Die Gailtalerin ist eine Frau. Die Knechte kiffen. Die Mägde müssen das „Ave-Maria“ erst noch lernen.

 

Was ist geblieben?

Die Musik. Hollarödulliö. Die wunderbaren Lieder von Ambros und seinen Kollegen sind geblieben. Herrlich. Das macht dieses Musical schließlich aus. Sankt Hubertus schmettert jetzt sein Jagdhorn über den Synthesizer. „I bin a Knecht mit Stumpf und Stui, moch mei Orbat denk ned vui“ wird jetzt gerappt und die Gailtalerin singt mit viel Stimme, Körper und Gefühl. Den Rest singt Mathias Kellner und seine Band. Ein bisschen rockiger, ein paar Textstellen angepasst, aber einfach gut.

 

Und das Fazit?

Ein All-Over Fazit würde heißen: kein Vergleich zum Original. So einfach ist es aber nicht. Es muss irgendwie alles einzeln betratet werden:

Das Ganze wirkte noch nicht rund. Zu Beginn des Stücks, wenn der Bauer mit dem Bua am Tisch sitzt, erzählt er, dass „mit dem Löffel vom VATER nur der VATER isst und ned der Bua.“ Das kann man jetzt als Neuinszenierung hinnehmen. Hört sich aber komisch an. Und dann fällt es dem Schauspieler auf – nachdem es dem Publikum aufgefallen ist. Irgendwie ist der Wurm drin. „Der Leffe g´hert am BAUER und ned am Bua.“ Und auch sonst wirkt das Stück an vielen Ecken und Enden holprig und eben nicht wirklich in sich stimmig. Jede Szene für sich ist aber sehenswert.

Die Gailtalerin ist eine Frau. Das ist im ersten Moment fremd. Und es nimmt einiges von dem Charm und vor allem dem Witz der einzelnen Liebesszenen. Keine Frage, Sabine Kapfinger gibt alles auf der Bühne. „Sexy und Gail“ wie es von ihr verlangt wird. Im Publikum wirkt es aber eben normal. Das völlig überzeichnete bleibt – aus. Allerdings muss man an dieser Stelle bemerken: es gibt keine Alternative zu einer weiblichen Gailtalerin. Das Erbe von Klaus Eberhartinger wiegt schwer. Ihn zu mimen unmöglich, es besser zu machen fast nicht möglich – und vermutlich auch unnötig. Weil der war einfach gut.

Die beiden Knechte ernten das meiste Gelächter, wenn sie die „alten Sachen“ rausholen. Eine Watschen auf den Hinterkopf untermalt mit dem Becken. Hupfen und lupfen. Und mit ihrem Lied der Knechte. Ansonsten – fehlt es an inhaltlichem Witz. Auch hier ist die Geschichte nicht ganz rund. Was dem Schauspielerischen allerdings keinen Abbruch tut. Man nimmt ihnen das ab.

Bauer und Bua machen ihre Sache – richtig gut. Nicht altbacken oder provinziell, sondern gut. Schauspielerisch. Und in ihrer Rolle. Profit und Bergliebe stehen nebeneinander. Hackeln sich und… fallen am Ende. Genau so wie es sein muss.

Herausragend, witzig, spritzig und originell ist der Kapuzenmann-Erzähler-Tourist Arnd Schimkat. Dialekte, Körpersprache, Mimik und Gestik lassen kaum Wünsche offen. Aus ganz wenig Rolle so viel rausholen verdient Anerkennung und Lob.

Das Bühnenbild ist insofern aufwendig, als das Licht und Projektion viele Register ziehen. Und wenn die Technik ausbleibt, na dann singen wir eben a cappella und „haun´s naus“. Das ist bei allem – großes Kino. Weil man da oben auf der Bühne steht und machtlos ist und nichts tun kann. Als Akteur. Chapeau, das habt ihr gut gemacht. Alle.

 

Ein Presseauschnitt mit der Musik von Mathias Kellner

 

Und die Musik? Die Band rund um Mathias Kellner ist eine absolute Bereicherung! In jeder Hinsicht. Musiker die ihr Handwerk verstehen. Ein Sänger mit einer großartigen Stimme, viel Energie und Farbe. Alles in allem: die Musik ist es wert, dass man es sich ansieht.

Dann aber, liebes München, gehört bei einem Rustikal wie diesem noch etwas dazu, damit es wirklich gut wird: nämlich du liebes München. Dein Publikum. Und das war an diesem Freitag eine wirklich ehrlich harte Nuss. Kaum zu knacken. Und die Akteure haben mein volles Mitleid! Hier gehört der Monaco Franze in seinem besten Satz zitiert: „des Schlimmste aber ist, dass wir hier in München ein Publikum haben, das von hint bis vorn von nix was versteht!“ Da stehen Schauspieler auf der Bühne, brauchen das Publikum und haben des Gefühl, da unten sitzen nur Leichen. Wahnsinn. Die spielen sich da oben einen Wolf und München schaut blöd. Und dann gehns heim in der Pause, weil „mitmachen“ wollten wir nicht. Eh klar.

Knecht Norbert Bürger und Sänger Mathias Kellner © Susanne Brill

Ein echtes Fazit lässt sich also nur schwerlich ehrlich ziehen. Für Alle die, die das Original kenne ist es: mutig, nett und schön, die alten Lieder zu hören. Für alle Watzmann Neulinge ist es: ein ganz anderes Musical mit guter Musik und einer etwas wirren Geschichte. Vielleicht muss man wirklich die einzelnen Teile (Musik, Geschichte, Bühnenbild, Schauspieler) für sich betrachten. Vielleicht braucht alles auch noch etwas Routine, damit es runder wird. Aufgeben würde ich jedenfalls nicht. Dafür ist es viel zu schön und zu ehrlich. Ob der Preis, den das Deutsche Theater für diese Abendprogramm aufruft, allerdings im Verhältnis steht, wage ich durchaus zu bezweifeln. Auch hier ist es eben nicht ganz rund.

 

Ein kurzweiliger Abend mit viel guter Musik und viel Wahrheit und einem Münchner Publikum was noch viel lernen muss.

 

Nichts desto trotz: am Ende war es ein schöner Abend. Die Schauspieler verdienen Respekt, die Band ein großes Lob und Autor und Regie verdienen Hochachtung dafür, dass sie sich dran gewagt haben und es ganz gut gemacht haben.

 

Bauer Aurel Bereuter und Gailtalerin Sabine Kapfinger © Susanne Bril

 

Der Watzmann läuft noch bis Sonntag, 4.8.2019 im Deutschen Theater. Karten sind für alle Vorführungen noch an der Abendkasse zu bekommen.

 

Und ich habe die Hoffnung, dass es eine Fortsetzung, Tour oder ähnliches gibt. Schee is scho. Und ein netter Zeitvertreib, bis losgeht unsere Wiesn. Genaugenommen ist des nämlich eine ähnliche Geschichte – mit dem Berg und der Wiesn. Mia miassn hi. Da Bua muaß am Berg. Aufi. Und wir mias´n auf´d Wiesn. Aufi… oder raus. Oder wie auch immer. Aber hin müssen wir. Weil de Wiesn de hot koa einsegnt ned!

 

Notiz: hinter dir geht´s abwärts vor dir steil Berg auf – de Mannaleit, de Mannaleit – Frau von Söttingen, san se sicher das er heit kimmt?

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