Dahoam bleim

 

Dahoam bleim

Jetzt sind alle bayerischen Kinder und Jugendliche daheim. Alles was ins Homeoffice kann, muss daheim arbeiten. Die Stadt, die Gemeinde, das Land – es liegt brach… es hat ein bisschen was von Geisterstimmung.

Wie wir das finden?

Das wissen wir auch noch nicht genau. Hatte von uns ja noch keiner. Was genau ist es denn jetzt, was uns daheim hält? Die Angst? Vor dem Virus? Die Sorge um unsere „Oiden“? Die Sorge um uns selbst? Oder das Verbot? Das Gesetz?

Oder ist es einfach die Vernunft? Vernünftig sein! Einfach mal daheimbleiben. Nicht ins Kino, Konzert, Theater. Nicht auf das nächste Event. Nicht zum Shoppen ins Einkaufszentrum. Gut – Event, Theater, Konzert geht nicht mehr. Ist alles abgesagt. Musen sind geschlossen. Genau genommen ist alles zu, wo sich Menschen begegnen können. Im Oberland wird sogar die Messe in der Kirche abgesagt. Das „Leib Christi“ nicht mehr geteilt und der Messwein bleibt dem Pfarrer allein übrig.

Für mich ist das ein Grund, einen Ausflug in die Münchner Geschichte zu machen – kommt doch mal schnell mit:

Anno Domini 1349

Die Gassen sind eng. Die kleinen Häuschen sind aus Lehm und Stroh gebaut. Gekocht wird über offenem Feuer. Fließendes Wasser gibt es nur in der Isar und in den vielen kleinen Bächen, die durch das mittelalterliche München fließen. Man muss es am Brunnen schöpfen und mühsam nach Hause tragen.

Und die Notdurft, die verrichtet man zu dieser Zeit im Wald, oder im Nachttopf – die Entleerung dieser findet häufig in der Nacht statt – aus dem Fenster auf die Straße. Der Regen spült es dann schon weg.

Es herrscht regen Treiben auf dem „Markt bei den Mönchen“. München ist noch keine 200 Jahre alt. Das Talburgtor lässt täglich viele reisende Händler aus dem Süden in die Stadt. Österreicher mit Salz, Südtiroler mit Speck, Wein und Kräutern. Handelswaren aus aller Herren Länder, die in italienischen Häfen ankommen und von dort aus, nach Norden, nach Bayern und noch weiter transportiert werden.

Marktplatz in München – Der Eier- und Kräutermarkt

 

Mit den Waren, mit den Händlern – mit all den wertvollen Sachen, die es bei uns in München so nicht gibt – kommen allerdings auch ungebetene Gäste. Unauffällig und ohne Zoll zu bezahlen schmuggeln sich die kleinen Gäste versteckt in den Fuhrwerken in die Stadt. Wenn der Fuhrmann absteigt und die Rösser verschnaufen dürfen, dann stehlen sich die Ratten leise und heimlich von ihren Taxis und verschwinden im nächsten Getreidesack. Die Abfahrt ihres Fuhrwerks verpassen sie meist. Macht ihnen aber nichts aus. Schließlich leben sie in dem schönen München wie Gott wie in Frankreich! Schnell finden sie Artgenossen. München wird schnell zur heimlichen Hauptstadt der Ratten. Überall gibt es Futter, Dreck und Abfall. Ein solch großer Handelsplatz, wie der Markt in München, der wirft einiges ab – zumindest für die ungebetenen Vierbeiner. Selbige zeigen sich auch umgehend erkenntlich und bringen ihrerseits kleine, fast unsichtbare Geschenke mit in die neue Stadt. Flöhe. Die beißen die Münchner, springen fröhlich vom einen zum anderen und verteilen so: eine Krankheit, die innerhalb kürzester Zeit eine ganze Stadt lahmlegt. Die die Bevölkerung zur Hälfte ausrottet. Die sich leise, schnell und ohne aufgehalten zu werden durch die Gassen schlängelt und allem Leben den Gar ausmacht. Die Pest hat München erreicht.

Ob die Pest das genau auf diesem Wege nach München kam, oder vielleicht die Friedhöfe in der Stadt ihr Übriges dazu getan haben – das weiß man nicht so genau. Eins ist fast sicher: die, die dafür beschuldigt wurden, waren es nicht. Die Brunnenvergifter gab es nicht. Zumindest damals nicht.

München lag brach. Das öffentliche Leben ist ausgestorben. Kein Markt mehr. Keine Besuche beim Wirt mehr. Keine gemütliche Scharfkopfrunden nach getaner Arbeit. Keiner hat sich mehr getraut, den Nachbarn auch nur anzusehen. Die Haustüren verriegelt. Die Fenster geschlossen. Die Straßen leergefegt. Natürlich kamen auch keine Händler mehr nach München. Es wollte sich niemand anstecken. Handel treiben konnten sie auch nicht – die Straßen waren ja leer.

Bis der nächste kalte Winter kam, der die Pest im wahrsten Sinne des Wortes erfrieren lassen würde, bis dahin sollten in München 5.000 Menschen dem „schwarzen Tot“ zum Opfer fallen. Das ist fast die Hälfte der damaligen Bevölkerung. Damit aber nicht genug – die Pestilenz suchte München noch häufiger auf! Die letzte große Pestepidemie hatte es laut Aufzeichnungen aus dem Stadtarchiv wohl während des kalten Krieges 1635 gegeben. In diesem Winter starben in München 20.000 Menschen, 15.000 davon an der Pest.

Wenn gleich München für die Handelsreisenden während der Pestzeiten offenblieb – man konnte von Süden nach Norden durch das Isartor und das Neuhauser Tor reisen – musste man schon damals einen Gesundheitspass bei der Einreise vorweisen. Ja, ja, die Bürokratie hat in München schon immer eine Heimat gehabt. Wenn man Post erhalten hatte, hat man die Briefe erst geräuchert, bevor man sie öffnete – Geldmünzen wurden mit Essig gewaschen – Schuhe und Mäntel zog man vor der Tür aus und nahm sie nicht mit ins Haus. Ach hätte man doch damals schon fließendes Wasser gehabt in den Wohnungen. Dann hätten sich die Menschen sicherlich auch gewaschen. Wusste man aber nicht, hatte man nicht.

Die Pestilenz

Die Geschichte erzählt uns, dass aus der Pestilenz eine der schönsten Traditionen entstanden ist, die München zu bieten hat – der Schäfflertanz. Weil die Fassmacher ihre Fässer schon damals mit Pech ausgekleidet haben und der heiße Dampf des Pechs wohl der Pest entgegenwirkte. So blieben die Fassmacher gesund. Als die Todesfälle zurück gingen, waren es die Schäffler, die auf den Straßen und in den Gassen tanzten und sangen und so den Münchnern wieder Mut und Lebensfreude schenkten.

Die Schäffler tanzen in der Grundschule in Neubiberg im Februar 2019

Wieso ich heute auf diese Geschichte komme? Gott bewahre – wir haben „nur“ Corona und keine Pest. Und wenn wir es schaffen, dass sich dieser Virus nur langsam verbreitet, dann sollte es auch zu verhältnismäßig wenigen Todesfällen kommen. Allerdings muss ich ehrlicherweise gestehen, ich finde es sind durchaus Parallelen zu der Pest im Mittelalter erkennbar: ach hätten die Menschen doch gewusst, dass Seife und fließendes Wasser hilft…

Einer der 4 Heldenputti an der Mariensäule kämpft gegen den Basilisk – gegen die Pest Foto: (c) die Stadtspürer

 

Und jetzt? Nutzen wir die Zeit daheim, für Dinge, für die wir uns sonst keine Zeit nehmen wollen. Backen, Basteln, Brettspiele, Ratschen, Lesen, Kochen oder einfach mal faul auf der Terrasse sitzen – entschleunigen! Und vielleicht stellen wir fest, dass wir mit ein bisschen weniger auch ganz gut zurechtkommen und können dann wieder richtig ehrlich genießen, wenn des kulturelle Leben wieder losgeht.

2019 haben die Schäffler in der Neubiberger Grundschule getanzt – meine Tochter hat mit ihrer Klasse dieses Gedicht für die Schäffler geschrieben und vorgetragen.

In diesem Sinne: bleibts gesund! Und genießt es einfach mal, keine Termine zu haben und bei Euch zu sein. Und wenn wir ganz viel Glück haben, dann tanzen die Schäffler vielleicht auch nach Corona – Außerplanmäßig wäre wünschenswert – sicher ist aber, sie tanzen 2026 wieder – möge Corona vorher schon Geschichte sein!

Häschtäg: aber heit ist koit – dadadamdamdam – die Schäffler sollen tanzen – Münchens schönste Tradition – die Trompete wars

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