noch 41 und der Rest von Heute
Volkfest-Tagebuch Dachau 2024 – der Countdown zur Wiesn. Noch 41 und der Rest von heute.
Heute: Das Dachauer Volksfest hat begonnen – Bleifrei getankt
In Dachau hat sich viel geändert: Der Wirt, das Zelt, die Küche, die Preise und das Bier. Und in Bayern scheiden sich am Bier die Geister. In allen Belangen. Für uns Bayern ist Bier ein Grundnahrungsmittel, eine Lebenseinstellung und Grundlage für Entscheidungen.
Festbier-Tradition
Dachau hat eine langjährige „Festbier Tradition“. Aber von vorne: es gab in Dachau mal eine Schlossbrauerei. Die hat irgendwann aufgehört, an Spaten verkauft und seit diesem Zeitpunkt, gabs das Dachauer Festbier von Spaten. Der Aromahopfen aus der Hallertau, das Wasser aus dem eigenen Brunnen in 300 Meter Tiefe. 5,6 Umdrehungen hatte es 2019. Wurde extra für das Volksfest in Dachau gebraut und in nostalgischem Etikett in Falschen abgefüllt verkauft – und natürlich auf dem Volksfest ausgeschenkt.
Während der verrückten Corona Jahre gab es kein Volksfest, aber eine Ersatzveranstaltung und der damalige Wirt hat die Gelegenheit beim Schopf gepackt und weil eh grad alles neu gemacht wurde, hat er es irgendwie geschafft, das „Dachauer Festbier“ aus München vom Spaten gegen ein Münchner Bier aus dem Holzfass von Augustiner zu tauschen.
Bierzelt-Debatte
Liebe Leser, ich mag Euch alle und ich würde mir nicht anmaßen, hier Stellung zu beziehen. Zum Diskutieren habe ich auch keine Zeit und am Ende vermute ich, dass bei einer Blindverkostung die wenigsten die richtige Biermarke rausschmecken würden. Aber ich finde auch, dass ein Gespräch und eine Debatte über Bier erheblich schöner sind als selbiges über Politik. Aber zurück aufs Volksfest 2024.
Dieses Jahr wird Augustiner ausgeschenkt. Frisch und kalt aus dem Hirschen. Ihr wisst schon, die gewaltig großen Holzfässer. 200 Liter Fassungsvermögen. Die übrigens nicht mit einem Kran an Ort und Stelle gebracht werden, sondern mit Manneskraft. Von denen jedes Fass einzeln angezapft wird. Mit einem goldenen Wechsel und immer dieses herrliche Geräusch aus dem „Pfeiferl“ ertönt, wenn die ersten Liter rausschießen. Es ist Bier-Liebe in Perfektion. Und es hat so unheimlich viel Tradition. Aber eben nicht in Dachau – und schon sind wir wieder beim Thema…
Bleifrei
Augustiner hat – wie ihr Alle aus sämtlicher Presse entnehmen konntet – seit diesem Jahr ein alkoholfreies Bier. Geschmacklich eine Wucht. Eiskalt ein durstlöschender Genuss, der in dieser Kategorie seines Gleichen sucht. Meine Meinung (und die einiger vieler). Des Bleifreie Augustiner kommt in Flaschen aus der Brauerei: weil es (noch) keine Anlage gibt, in der das Bier pasteurisiert werden kann, bevor es in Fässer abgefüllt wird – und man bekanntlich Fässer nicht kochen kann. Oiso Flaschl-Bier.
Von Feldmoching bis zur Amperbrücke
Eine Maß braucht zwoa Flaschl. Die müssen ins Glas geschenkt werden. Des braucht Zeit. Und dann passiert es: Der Festumzug ist an der Festwiese angekommen, der Bürgermeister zapft auf der Bühne des erste Fassl an und das Volksfest ist eröffnet. Die Bedienungen rennen zu Schenke – aber nicht da, wo die schönen Holzfässer stehen, sondern da, wo des Bier aus dem Flaschl kommt. Weils so heiß ist und weil sie unbedingt mal das viel besprochene „Bleifreie“ vom Augustiner probieren wollen. Gibt’s ja nirgends zu kaufen. Wir schleppen literweise alkoholfreies Bier in den Biergarten, ins Zelt, in die Boxen. Aber es dauert. Wahnsinnig lang. Die Schlange der Bedingungen reicht bis kurz vor Feldmoching…
Wartesaal der Träume
Alle warten. Die Gäste, die Bedienungen und das Bierzeltgefühl. Früher war es für Bedienungen eine Challenge, die ersten Maß zu den Gästen zu bringen. Ich hab nicht vorher gefragt „was kriegt´s denn zum Trinken“ sondern ich hab mich um kurz vor 12 an die Schänke gestellt und habe Bier geholt, so viel ich tragen konnte, bin in meinen Service gerumpelt und alle haben gejubelt. Jetzt warte ich an der Schänke für alkoholfreie Getränke auf Spezi, Wasser, Apfelschorle und bleifreies Bier. Is des schlimm? Nein! Gar nicht. Ich finde es völlig ok, dass die Leute Bleifrei trinken. Stört mich nicht im Geringsten. Die Zeltbauer, Wirte und Brauereien müssen das nur für die Zukunft in ihre Planung mit aufnehmen. Weil eine „AfG-Schänke“ in klein nicht mehr ausreicht. Weil wir alle ständig warten müssen. Und weil das Bierzelt zum Wartesaal der Träume wird. In dem alle Träumen, dass es schneller geht…
Ja, Mei.
Geduld hat keiner mehr. Alles muss schneller, größer, mehr werden. Besser. Schöner. Anders. Aber das geht eben nicht. Es ist ein Zenit erreicht. Die letzten beiden Jahre nach Corona haben wir alle das Leben gefeiert. In Hülle und Fülle. Wir haben nachgeholt, was uns zwei Jahre lange verboten war. Aber das relativiert sich jetzt. Der erste Volksfesttag sieht eher danach aus, dass es weniger wird. Gemütlicher. Ruhiger. Daran müssen sich erst wieder alle gewöhnen. Die Musik darf leiser spielen. Die Gäste möchten weniger Bier. Der Geldbeutel sitzt nicht mehr so locker. Bloß die Bedienung, die darf etwas schneller und vor allem weiter rennen. Weil Design vor Praxis geht und weil der Mensch in einem „Fastfood-Lifestyle“ lebt.
Das Ende: Volksfest ist nur einmal im Jahr – Ui, a Wasser, bringst mir a oans – wia schee, dass du dieses Jahr wieder da bist!