Gast sein

Paulas Tagebuch

Noch 13 und der Rest von heute

Ich bin für mein Leben gerne Bedienung, aber ich bin auch echt gerne Gast. Und ich behaupte jetzt einfach mal, ich bin ein guter Gast. Des fängt schon beim reservieren an. Wenn es nötig ist, dann frage ich freundlich, ob ich einen Tisch reservieren kann und wenn der Laden voll ist, dann ist er eben voll. Dann finde ich eine Alternative. Wenn ich spontan irgendwo hingehe, dann hab ich entweder Zeit, zu warten, bis was frei ist, oder frage eben nach, ob es ein Plätzchen gibt. Ich bestelle erst, wenn ich sitze und versuche möglichst „gemeinsam“ zu bestellen, habe Verständnis, wenn die Bar, das Restaurant oder das Café voll sind, dass man dann einfach mal ein bisschen warten muss. Versuche mir was aus der Karte auszusuchen, was es auch gibt und gebe grundsätzlich ordentliches Trinkgeld. Irgendwie ist des nix besonderes. Erstens gehört des zur guten Kinderstube und zweitens erwarte ich ungefähr so ein Verhalten auch von meinen Gästen.

No-Show

Keine Ahnung wie oft ich in den letzten Tagen Gast war, in einem Restaurant oder einer Bar gesessen bin, vor dem Eingang eine lange Schlange war und mindestens 2 Tische leer waren, auf denen ein „Reserviert“ Schild stand. Teilweise über Stunden. Manchmal mit Reservierungsuhrzeit, manchmal ohne. Die Gäste, die diese Tische reserviert haben sind entweder viel Später (und zwar bis zu 1,5 Stunden später) oder gar nicht gekommen. Da kann ich mich ja schon wieder aufregen… Klar. Ist mir auch schon passiert, dass ich es nicht pünktlich geschafft habe. Dann habe ich angerufen und gesagt: „wir schaffen es nicht, gebt den Tisch frei“ oder „Ich komme später“. Kann alles immer passieren. Aber dann kann man doch so fair sein (dem Laden und den anderen Gästen gegenüber), dass man Bescheid gibt. Die Leute heute sind da einfach anders. Die kommen eine Stunde zu spät und regen sich dann auf, weil sie 3 Minuten auf ihre Bestellung warten müssen. Oder sie kommen gar nicht und wundern sich beim nächsten Mal, dass Cafés und Bars grundsätzlich keine Reservierungen annehmen. In der Gastrosprache nennt man des „No Show“ – übrigens egal, ob im Hotel oder beim Tisch. Nicht erschienene Reservierungen sind No Shows und die machen dich als Gast, Mitarbeiter und Chef gleichermaßen narrisch!

Wiedererkennungswert

Es ist tatsächlich so, dass die Keller und Bedienungen sich in den meisten Fällen schon nach meinem ersten Besuch an mich erinnern können. Nicht weil ich wie der Generaldirektor Haffenloher mit Geldscheinen um mich werfe, auch nicht, weil ich mich aufführe wie ein frisch geschütteltes warmes Cola, sondern weil wir Bedienungen in den meisten Fällen einfach gleich ticken: an angenehme Gäste erinnern wir uns einfach gerne. An unangenehme erinnern wir uns natürlich auch – nur halt nicht gerne… Jedenfalls ist des so, dass ich in den allermeisten Fällen irgendwo hingehen kann und meistens einen Platz und auch einen guten Service bekomme. Das ist nicht nur schön und macht Spaß, sondern macht des Leben auch viel leichter. Dieses Privileg ist eigentlich gar nicht schwer zu erlangen. Ein bisschen Empathie, ein bisschen Ruhe und ein zwischenmenschlicher Umgang der überhaupt eine Kinderstube erahnen lässt. Zack – fertig.

Andere Gäste

Wenn ich selbst Gast bin, hab ich logischerweise noch mehr Zeit, mir andere Gäste anzuschauen, zu studieren und festzustellen: es liegt nicht an mir! Die Gäste führen sich auch bei meinen Kollegen auf wie Ahoi Brause im Prosecco. Unabhängig davon, dass ich mit meinen Kollegen mitleide, habe ich allerdings doch immer wieder Spaß daran. Genauso viel, wie wenn ich selbst arbeiten würde. Nach kürzester Zeit kann ich dann die Gäste auch wiedermal den klassischen Gruppen zuordnen. Ein bisschen genauer, weil ich ja mehr Zeit hab zum Schauen. Was des für Gast-Arten sind? Erzähle ich Euch gerne:

Die Namensfrager

Kurz bevor die Nacht los geht, finden sich die Damen zum Flaschenköpfen in der Bar ein. Sechs Ladys mittleren Alters. Eine jugendlicher als die Andere. Der dritte Frühling hat durch Botox und Collagen frischen Aufwind bekommen. Beim ersten Blick kann man an der Mimik kaum erkennen, ob die Damen fröhlich oder traurig sind. Die Koordination der frisch aufgespritzten Lippen ermöglicht leider nur ein nippen an den Weingläsern. Nicht so schlimm. Wird halt öfter genippt. Cocktails mit Strohhalm fallen leider aus. Mit der Bestellung der zweiten Magnum Flasche Valdo Rose wird der junge hübsche Kellner auch gleich nach seinem Namen gefragt. Weil der Kollege erstens jung, zweitens höflich und drittens unvoreingenommen ist, verrät er natürlich, dass er „Andrea“ heißt. Was er nicht weiß: er gehört jetzt den Damen. Exklusiv. Den restlichen Abend läuft der arme Kerl nur noch für die Schnecken von Tisch 37. Die genießen nämlich seine Anwesenheit, bestellen jeden Eiswürfel einzeln und sollte er mal am anderen Ende der Bar an einem Tisch eine Bestellung aufnehmen, dann flöten sie mit Nachdruck seinen Namen über alle Köpfe hinweg und zitieren ihn umgehend an ihren Tisch! Die „Mädels“ wissen am nächsten Tag den Namen vom Kellner nicht mehr – er kann seinen Namen die nächsten 8 Tage auch nicht mehr hören!

Die Spezial-Besteller

Egal wie groß oder klein die Karte ist – für die Spezial-Besteller ist nie das richtige dabei! Und ich behaupte, diese Gast-Typen erkenne ich schon, bevor sie sitzen. Schon weil keiner der freien Tische ihrer Vorstellung entspricht. Zu viel Schatten, zu wenig linksgedreht, die Stühle müssen 5 mm nach rechts und der Tischschmuck liegt zu weit am Rand. Kurz um, bevor die sitzen wird erstmal umgeräumt. Dann lassen sie sich die Karte bringen um im Nachhinein etwas zu bestellen was, so wie sie es bestellen, nicht mal im Ansatz so in der Karte vorhanden ist. Und ich meine nicht so etwas wie: „die Cola bitte ohne Eis!“ oder „Könnte ich statt Spaghetti auch Penne bekommen, weil ich ein weißes Kleid trage und nicht möchte, dass alle sehen, dass ich Spaghetti gegessen habe!“ Die bestellen komplett neue Kreationen – welche die nicht mal unserem Ingwer-Guru Schubeck einfallen würden: „Ich hätte gerne einen Aperol Spritz, aber könnten Sie statt dem Aperol Campari verwenden und statt dem Weißwein Zitronen Limo und dafür aber keinen Prosecco, dafür aber ein großes Stück Ingwer und ein Minzblatt, aber ohne Eis!“  – Ja, freilich. Gar kein Problem. Beim der Essensbestellung geht’s auch gleich so weiter: „Ich hätte gerne die Spaghetti Panna é Cotto. Aber bitte mit Penne statt Spaghetti und ohne Sahne. Ich vertrage keine Lactose. Und ohne Schinken, ich bin Vegetarierin. Ach so und was sind Piselli? Erbsen, nein, die mag ich auch nicht!“ ich fasse kurz zusammen: es bleiben Penne ohne alles. Der Kellner ist etwas höflicher: „Möchten sie die Penne in bianco oder vielleicht lieber mit Promodoro?“ „Nein, Promodoro ist langweilig, das ist ja nur Tomatensoße!“ An dieser Stelle habe ich mich an meinem Campari Orange verschluckt. Der war übrigens ganz normal – so wie er auf der Karte stand!

Die Minimalisten

5 Gäste. Ein Tisch. Die Bestellung: Eine kleine Flasche Wasser ohne Gas und zwei Espresso. „Darfs noch etwas sein?“ Nein, durfte es nicht. Der halbe Liter Wasser war natürlich aufs erste Mal verteilt auf die 5 Gläser. Die Gäste sind geschlagene 97 Minuten gesessen bis sie nochmal einen halben Liter stilles Wasser bestellt haben. Immer noch zu fünft. Unterhalten haben sie sich auch nicht. Haben nur geschaut und am Wasser genuckelt. Mei, jeder wie er mag – in Zeiten von „halber Bestuhlung“ freust du dich über solche Gäste. Kannst du dir gar nicht vorstellen. Als die Herrschaften gegangen sind, haben sie sich übrigens mokiert: „Früher war des auch anders in Italien, da hast zu Rechnung immer noch ein Getränk auf´s Haus bekommen!“ Frage 1: welche Rechnung? Frage 2: warum sind solche Gäste (immer) deutschsprachig? Frage 3: was ist denn los mit Euch?

Ich könnte noch ewig weiter schreiben – aber eure Kaffeepause ist schon lang vorbei – aber ich habe noch ein paar Tage Urlaub. Ich werde noch einige Studien betreiben und ich werde Euch berichten. Verspochen…

Häschtäg: ich bin so gerne Gast – fremdschämen – noch 13 und der Rest von heute.

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1 Kommentar

  1. Magdalena
    7. September 2021 / 12:28

    Ich brech ab vor Lachen!!! Genau so ist es!!!

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