Eingeschenkt

Paulas Tagebuch

Noch 18 und der Rest von heute

Kaum etwas über das schon so oft und so viel diskutiert und debattiert wurde wie über das einschenken einer Maß Bier. In München wurde schon 1899 ein Verein gegründet, der überprüft hat, ob die Maß Bier „vollgeschenkt“ war. Damals war des tatsächlich für die Gäste auch noch schwieriger zu erkenne, denn zu dieser Zeit gab es noch die tönerner Keferloher. Also die schönen grauen Krüge, die sich heute noch als Sammlerkrüge in vielen Wohnzimmern befinden. Selbstredend konnte man nicht erkennen, ob der Inhalt aus Bier oder Schaum besteht. Man konnte ja nicht durchschauen. Aber weil den Münchnern des Bier immer schon heilig war, wollte man dem Wirt nicht für den Schaum des Geld in den Rachen werfen.

Der Schaum am Bier

Aber auch hier müssen wir wieder differenzieren: erstens ist es ja so: der Schaum ist natürlich auch Bier und kommt ja gleichermaßen aus dem Fass oder der Leitung. Lässt man des Bier bissi stehen, dann wird aus dem weißen Schaum natürlich irgendwann auch gold-glänzendes Bier. Aber eben nicht so viel. Nichts desto trotz, Schaum gehört aufs Bier. Eine „dode Maß“ ohne Schaum, die bis zum Rand gefüllt ist, trinkt ein Münchner auch nicht. Also gilt es ein sauberes Mittelmaß zu finden – zwischen halb leerer Maß und gemalter Schaumkrone. Deswegen ist der Eichstrich an der Maß auch nicht oben am Rand, sondern gute drei Finger breit unterhalb. Damit der Schaum noch drauf passt. So viel zum Grundsätzlichen!

Sauber eigschenkt

Wie wir ja alle wissen, sind Geschmäcker verschieden und Traditionen besonders und überhaupt kann man beim Bier und vor allem beim Einschenken ganz besonders viel streiten, am liebsten mit der Bedienung. Die ist schließlich schuld. Wenn die Maß nicht sauber eingeschenkt ist. Wenn zu viel Schaum drin ist, wenn zu wenig drin ist. Und überhaupt. Genaugenommen haben die Gäste ja auch ein bisschen Recht. Schließlich verkaufe ich ihnen die Maß und wenn die nicht sauber eingeschenkt ist, dann bin ich auch deren Ansprechpartner. Wie in allen Dienstleistungsbetrieben. Eigentlich ganz einfach – wenn, ja wenn da nicht die besonderen Gäste wären. Damit meine ich die, die eigentlich keine Ahnung haben und trotzdem gerne mitreden.

Zamschütten

Zu meinen absoluten Lieblingen – wenn es um den Streit der vollen Maß geht – gehören die deutschen Touristen im Bierzelt. Jahrelange Studien können des beweisen: niemand meckert und jammert so viel, wie Gäste die nicht aus dem Freistaat stammen. Denen kannst du es nicht recht machen. Denen bringst du eine gemalte Maß Bier und die verziehen des Gesicht und schauen dich an, wie wenn sie dich gleich töten wollten. Weil die Maß nicht voll ist. Dabei haben sie einen schönen, engporigen Schaum auf ihrer frischen Maß und des kühle Blonde endet nur minimal unterhalb des Eichstrichs. Bis die Gäste fertig sind mit Meckern und die Maß zum ersten mal in die Hand nehmen, hat sich der Schaum etwas gesetzt und ist zu herrlich frischem Bier geworden und die Maß ist voll – aber nicht in ihrer Welt. Die Diskutieren über Zentimeter mit mir:

„Hömma, das hier is aber nisch voll. Da fehlt ja die Hälfte!“ nölen sie mit dem Geldschein in der Hand in meine Richtung.

„Geh Schmarrn, schau her, da ist der Eichstrich, das hier ist keine Badeschaum und bis du fertig bist mit Zahlen ist die Maß eine der schönsten die ich heute rausgetragen hab!“

„Ne, ne Liebschen. Da gehst du jetzt hübsch zurück und lässt die voll machen! So nehm ich die nicht. Bei Euren Preisen sowieso nicht!“ spricht es und schickt mich mit der Maß zurück in die Schänke.

Mei, was soll ich sagen. Geh ich halt. Zurück zur Schänke, warte einen Moment und komme wieder. In dieser Zeit ist der Schaum zu Bier geworden und der Gast hat Recht behalten. Nachgeschenkt hat niemand was, aber ich hab meine Ruhe. Also fast. So ganz ohne kann ich ja auch nicht…

„Siehste Mädchen, so schaut das doch schon viel besser aus! Das ist wenigstens voll jetzt!“  Ich nicke freundlich und nehme das Geld entgegen. Bevor ich mich umdrehe und zum nächsten Tisch gehe muss ich aber noch was loswerden: „I hoff bloß, du schaffst de Maß a, bevor, dass de lack werd, sonst war de ganze Aufregung umasunst!“

Mit breitgeschwellter Brust schaut er mich an und lächelt dann doch etwas unsicher: „Aber natürlich!“

Frisch-Bier

Ich grinse auch und geh zum Nachbartisch. Da wird auch Bier bestellt. Wie es sich gehört eine ganze Runde. Für alle ein frisches. Auch wenn nicht alle des gleiche Tempo aufweisen – aber des macht man einfach so.

„Paula, mir brauchen 12 Schaumige bitte!“ heißts und ich dreh ab Richtung Schänke, komme nach kurzer Zeit zurück. Mit 12 wunderschönen Maßkrügen in der Hand und das Verhältnis zwischen Bier und Schaum ist genau andersrum wie am Nachbartisch. Also vier Finger breit Bier und der Rest der Maß mit frischem, luftigem Schaum aufgefüllt. Herrlich. Die Gäste haben Herzal in den Augen, als ich am Tisch ankomme. Die letzten Schlucke aus der vorherigen Maß werden noch schnell getrunken und dann das „Frisch-Bier“ verteilt. Bis alle zum ersten Prosit bereit sind, sind die Gläser zirka zur Hälfte voll Bier und zur anderen Hälfte voll Schaum. Ein bisschen wie im Zeitraffer.

Die schlechteste Bedienung

Der Gast vom Nachbartisch bekommt nervöses Herzrasen und kann nicht umhin, seine Meinung über die schlechteste Bedienung aller Zeiten laut Kund zu tun. Er dreht sich also zu meinen Gästen und klärt auf:

„Jungs. Das könnt ihr doch nicht machen. Ihr könnt der Alten sagen, sie soll die Gläser voll machen. Hab ich auch grade gemacht. Dat is ja eine Frechheit. Ich kenne auch den Wirt persönlich. Soll ich den rufen lassen. Dat is ja Betrug, was die hier mit Euch macht!“

Ich überlege kurz, ob ich ihn aufklären soll und stelle schnell fest: brauche ich nicht, machen meine Gäste: „Host du mit uns gred? I hob grad gar ned verstanden was du von uns brauchst! Mogst a no a frische Maß?“ Tatsächlich wussten die Gäste gar nicht, was der Grantler am Nachbartisch eigentlich wollte. „Jungs, die Bedienung hat Euch beschissen! Das darf die nicht. Die muss die Maß vollschenken lassen. Das ist Betrug was ihr da habt!“ nölt er über die Schulter.

Betrügerisches Einschenken

„Des is koa Betrug, sondern des is a „Frisch-Bier“ a sauber eigschenkte Schaumige. Des beste Bier, wasd hom konnst. Frisch bis zum letzten Schluck!“ und schon klopfen die Maßkrüge aneinander und jeder der 12 nimmt einen genüsslichen Schluck herrlich frischen Bieres.

Das ist zu viel für meinen Betrugsapostel. Entsetzt dreht er sich weg und weiß nicht so recht wie ihm geschieht. Völlig verdattert und irgendwie auch leicht narrisch ruft er mich zu seinem Tisch: „Hömma, ich kenne den Wirt persönlisch! Ich werde dem sagen was du hier veranstaltest. Aber jetzt bring mir erstmal ne neue Maaaas. Aber voll. Und nicht son halben Eimer wie nebenan!“ sprachs und drehte mir den Rücken zu. Für´s Protokoll: in seiner ersten Maß waren noch gute vier Finger breit Bier. Aber seis drum. Ich also zur Schänke, eine schöne, volle Maß rausgesucht zurück zum Tisch und dann…

Zamschütten

Nimmt er die frische Maß, stellt sich vor sich, nimmt die alte Maß und schüttet das halb tote Bier in das frische. Einfach obendrauf. Die neue Maß ist bis zum Rand gefüllt, der Schaum läuft an der Seite des Glases runter und die Maß gleicht jetzt einem Ale. Der letzte Schluck hat beim besten Willen nicht mehr reingepasst, den trinkt er jetzt noch aus und gibt mir die leere Maß zurück. Mich hebt es zum ersten Mal an diesem Tag.

Schwimmende Gerechtigkeit

Natürlich will er sein Kunstwerk präsentieren – er nimmt also die bis zum Rand gefüllte Maß ohne Schaum und will sich schwungvoll zum Nachbartisch drehen um ihnen zu zu prosten und was soll ich sagen, die Hälfte der Maß landet dank der Fliehkraft auf dem Astrid Söll Dirndl seiner Nachbarin. Die schwimmt jetzt im Bier, er hat nur noch eine halbe Maß, ich muss grinsen und vom Nachbartisch kommt lediglich ein: „Mei schau – a Preiß auf Reisen!“

Guad Eigschenkt

Wir brauchen nicht darüber reden, dass oft genug eine Maß nicht sauber eingeschenkt ist. Aber in den meisten Fällen geht es tatsächlich um wenige Milliliter. Ich musste auch schon einige Male zurück zur Schänke und die Maß nachschenken lassen, vor allem dann, wenn es Holzfassbier ist und wenn es grade bisse stressig ist. Dann kommt es schon mal vor, dass in der Eile etwas weniger Bier im Glas ist. Das ist auch wirklich kein Problem. Schließlich haben die Gäste ja eine volle Maß bestellt. Allerdings muss ich ehrlicherweise anmerken: in den meisten Fällen, habe ich spätestens nach der zweiten Maß die doppelte oder dreifache Menge dessen, was ich zuvor hab nachschenken lassen am Ende dem Abfluss zugeführt. Soll heißen, die Maß wurde nicht mehr leer getrunken und ich hab des Bier weggeschüttet. Aber mei, so ist des halt. „Hier geht’s ja ums Prinzip!“

Schaumige

Übrigens: mein Gast hat dem Wirt tatsächlich von der betrügerischen Bedienung berichtet. Dem Gesichtsausdruck meines Chefs zu Folge „kennen“ die zwei sich nicht wirklich. Dem Grinsen zu Folge ist er ganz zu frieden mit meiner Arbeit: schließlich kostet mich und die Gäste die Schaumige des gleiche wie die Maß – nur meim Wirt ist die Schaumige lieber…

Häschtäg: Bier-Tradition – frisches Bier is des feinste – noch 18 und der Rest von heute

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