Berufung

 

Paulas Tagebuch

Noch 21 und der Rest von heute

 

Habt ihr euch schon mal überlegt, wer oder was eure Bedienung oder euer Kellner im echten Leben außerhalb des Bierzelts eigentlich sind? Ich bin mir nicht ganz sicher, ob euch des jetzt vielleicht überrascht, aber ein Großteil der der Kollegen macht des nur „als Hobby“. Dazu zähle ich mich auch.

Früher war des anders. Zu Zeiten als Bier noch in Steinkrügen verkauft wurde. Da hat der Bürgermeister angeordnet, dass von Dienstag bis Mittwoch nicht in Bach geschissen werden darf, weil in diesen Tagen Manna gebraut wird. Zu dieser Zeit hatte ein jedes Wirtshaus und ein jeder Biergarten seine Bedienung. Die war als junges Mädel scho Bedienung und kurz bevor sie „eingnagelt“ wurde wars immer noch Bedienung. Oft wars die Tochter vom Wirt und dazu noch ein zwei andere Madl die vom Land in die Stadt wollten. Die aber gar keine Ausbildung hatten. Deswegen eben „nur“ als Bedienung arbeiten konnten.

 „Bier raustragen und an Schweinsbron, des schafft de Marei scho“

„Nur Bedienung“ – des hat sich lange in den Köpfen der Menschen festgesetzt. Teilweise bis heute. Genaugenommen war a Bedienung nicht recht viel mehr wie eine Semiprofessionelle. Die für Geld alles macht, mit de Mannsbuida schmust und an Busen in die Auslag legt. Wer von Euch Oktoberfest 1900 gesehen hat, weiß was ich meine. Da ist sicherlich viel dran, dass die Bedienungen damals sich auch prostituiert haben – schon alleine deswegen, dass der Biertaler einfach nicht zum Leben gereicht hat, schon gar nicht, wenn noch ein Kind durchgebracht werden musste.

Früher und heute

Ist des heute anders? Also genau genommen: ich hole Bier, bekomme dafür Geld. Ich krieg von wildfremden Männer Bussl aufgedrückt, weil ich ihnen Bier bringe. Mein Dirndl hat an Balkon. Ja. Genaugenommen – ist es das Gleiche wie früher! Mit dem Unterschied, dass ich diesen Job nur ein paar Tage im Jahr mache. Und das ich mich eben auch nicht prostituiere. Meine Kolleginnen auch nicht! Aber des kann es ja nicht der Grund sein. Nein! Der Unterschied liegt heute in erster Linie darin, dass der Mensch zivilisierter ist. Das heute auch, im Vergleich zu früher, Frauen ins Wirtshaus und ins Bierzelt gehen und, ja und, dass Mann heute damit rechnen muss, dass Frau ihm sauber eine einschenkt, wenn er zu aufdringlich wird. Einfach weil wir des heute dürfen. Durften die Kolleginnen früher nicht.

Heute sind viele Kolleginnen und Kollegen nur aus Spaß an der Freude im Bierzelt. Weil es ein schöner Nebenverdienst ist, weil es Abstand vom Alltag ist und weil es wirklich einfach Spaß macht. Natürlich gibt es noch Vollzeit Bedienungen. Aber gefühlt weit weniger wie die, die es nur Nebenberuflich machen. (Ich spreche hier von der Arbeit im Bierzelt!)

Die Gute

Eine Vollzeitbedienung der ganz besonderen Art ist „meine“ Ute. Die kenne ich schon soooo viele Jahre. Als ich selbst noch Gast war. Im Bierzelt. Also aus Kinderschuhen. Und später zu „Biertrink-Zeiten“ bin ich dann nach Dachau aufs Volksfest gefahren und habe dort meine erste Wiesn-Maß bei ihr schon in Vorkasse gezahlt. Des war einfach ein Ritual. Weil es Glück gebracht hat. Uns beiden. Sie hatte stets eine erfolgreiche Wiesn und ich immer die erste Maß. Darauf kommts an. Seither behalte ich im Übrigen von jedem Festl auf dem ich folge Jahr wieder arbeiten möchte ein Bierzeichen im Geldbeutel. Als Talisman, dafür dass es im nächsten Jahr wieder so schee werd. Die Ute hat ein anderes Leben, wie jemand, der im Büro sitzt. Die gibt während der Bierzeltsaison Vollgas und außerhalb der Saison, hat sie eben frei. Dafür kommt dann ein Festl aufs andere in geballter Kraft. Mit einer Bedienung aus Zeiten der Jahrhundertwende hat sie allerdings nichts gemein. Ganz im Gegenteil. An dieser Stelle: ihr lieben und tollen Kolleginnen, die ihr das ganze Jahr für uns rennt und schwitzt und friert. Damit Bierzeltbayern feiern kann! Chapeau! Ihr macht einen mega Job! Ihr seid großartig! Ich ziehe wirklich meinen Hut vor EUCH!

Die Beste

Es laufen aber, wie schon erwähnt, noch viele Bedienungen rum, die im echten Leben was komplett anderes sind. Hausfrauen und Mütter, Steuerberater, Pfarrer, Versicherungsmarkler, Ingenieure und Lehrerinnen! Und so eine Lehrerin, die haben wir in Dachau auch. Eine, die an einer Schule für schwererziehbare Kinder arbeitet. Die geht dann ins Bierzelt um festzustellen, dass die schwererziehbaren in Wirklichkeit volljährig sind und am Biertisch sitzen. Und schon ändert sich die Perspektive. Tut manchmal richtig gut. An dieser Stelle: wenn Kinder, aus welchen Gründen auch immer, bei Menschen wie unserer Lehrerin aufgehoben sind, dann haben wir alles richtiggemacht. So ein toller Mensch! Du bist großartig! Alle anderen die für ein paar Tage im Jahr zur Verfügung stehen, damit anderen feiern können – ich bin dankbar euch alle kennenlernen zu dürfen. Jede und Jeden mit seinem Packerl, dass sie und er tragt.

Viele Berufe mit einer Berufung

Grundsätzlich lässt sich sagen: im Bierzelt, da steht ein Doktor neben einer Hausfrau, ein Ingenieur neben einer Sekretärin und eine Lehrerin neben einer Bedienung und alle sind gleichermaßen vollgesaut von Schweinebratensoße und Bier. Alle Schwitzen und stehen im eigenen Saft. Alle haben Halsweh und Heiserkeit und jede rechnet in dem ganzen Stress 8,30€ + 4,20€ + 0,49€ und kommt dann auf 14,39 Euro. Weil es eben so ist. Nicht weil sie dumm oder blöd sind. Sondern weil das Hochleistung ist, die wir, meine Kollegen und ich, da abliefern. Glaubt ihr mir nicht? Dann probiert es mal. Bei 35 Grad im Schatten ein Tragl Bier auf die Schulter, 500 Meter geradeaus laufen, absetzen lächeln und rechnen und des ganze mal zwei Stunden am Stück. Viel Erfolg!

Verstohlene Blicke

Diese Tatsache unterscheidet uns alle im Übrigen nicht im Geringsten von den Bedienungen früher! Wir sind genauso gut und schlecht im Kopfrechnen und schleppen und freundlich lächeln wie die es damals auch waren. Die Zeiten, in denen eine Bierzeltzelt-Bedienung (oder überhaupt eine Bedienung) dem niederen Stand angehören sind vorbei. Heute braucht sich niemand mehr verstecken. Man darf mit stolz geschwellter Brust sagen: i arbeite im Bierzelt! Obwohl – und das weiß ich aus eigener Erfahrung – noch immer viele Menschen meinen, Bedienung wäre ein niederer Beruf. Im Übrigen grade diejenigen die gerne zum feiern gehen, selten selbst schmutzige Hände haben und selbst bei einer Party zu Hause einen Caterer beauftragen. Die lächeln mitleidig und drehen sich verstohlen weg, wenn du dastehst und sagst du bist eine Bedienung…

Häschtäg: ohne Bedienung wärs ganz schön fad im Bierzelt – stolz auf meine Leistung – noch 21 und der Rest von heute

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2 Kommentare

  1. Peter Gründer
    30. August 2021 / 10:40

    Ich denk heut‘ noch an „meine“ erste Bedienung, die mir als Heranwachsender meine ersten Maßen hingstellt hat.
    Da die Traudl damals schon ca 60ge war, wird sie wohl heut, nach 45 Jahr‘, dem Himmivater as Bier bringen.

    • franzi
      Autor
      30. August 2021 / 12:21

      Mei schee – ja de erste Bedienung vergisst man nicht 😉

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