27 und der Rest von heute
Heute: Mia zwoa – der Gast und ich
Es ist an der Zeit für ein paar echt skurrile, dezent überzogene, sarkastisch-wahre Geschichten aus dem Biergarten. Geschichten, inspiriert durch wahre Begebenheiten. Alle Figuren sind meistens frei erfunden – solltest du dich dennoch wiedererkennen, ist es zwar von mir keine Absicht, aber du hast die Chance, drüber nachzudenken. Oder um es mit Monty Python zu sagen:
„Jede Ähnlichkeit mit der Realität ist reiner Zufall … außer natürlich, wenn’s um Könige geht.“
Bedienen Sie hier auch?
Unser Biergarten ist hübsch groß und hat viel Platz. Hin und wieder mehr Platz als Personal. Oftmals mehr Platz als Gäste. Oftmals öffnen wir über Mittag nur einen Teil des Biergartens, weil gar nicht so viele Gäste zu uns strömen und wir mit unseren Kräften haushalten müssen. Natürlich macht es einen Unterschied, ob du für eine halbe Bier 50 Meter oder einen Kilometer rennst.
Nur zum Verständnis: alle Bänke sind die gleichen, von überall kann man auf den See blicken und überall ist Kies.
Den Teil aus dem Biergarten, in dem wir zeitweise nicht bedienen, haben wir nicht eingedeckt und die Bänke sind an die Tische gelehnt. Im bedienten Bereich sitzen bereits 4 Parteien, hübsch verteil auf Sonnen- und Schattenplätze. Das nächste Pärchen kommt, mit riesiger Badetasche, sie einen überdimensional großen Sonnenhut und er mit Tennissocken in den Birkenstock. Im hintersten Eck des nicht aufgebauten Biergartens hieven die zwei die mordsdrum schwere Bank vom Tisch, wischen mit einem Tempo über den (natürlich nicht staubfreien) Tisch und setzen sich.
„Hallo Fräulein!“ – Der Beginn vom Ende
Die zwei haben ein bisschen Pech, weil sie heute schon die dritten sind, die sich da drüben hinsetzen und ich gerade dabei bin, Essen aufzunehmen bei meinen Gästen.
Sie kreischt rüber:
„Hallo Frääääääulein! Hallooooooo! Sehen Sie uns? Wir sitzen hier!“
Ja – i seh Eich! Freilich, bin ja ned blind!
Ich hebe die Hand und rufe „Moment bitte!“, schließlich bin ich gerade mit anderen Gästen beschäftigt.
Er steht auf und holt sich schon mal eine Speisenkarte. Nur zur Erinnerung: Die sitzen noch keine drei Minuten!
Ich will zur Kasse und das Essen bonieren, weil ich mir schon denken kann, dass die Diskussion mit meine zwoa Sommerfrischler länger dauert und meine Gäste ja deswegen nicht warten sollen.
„Fräääääääulein! Hallooooooo! Jetzt läuft die weg. Hans-Dieter sieh, die läuft weg! Das ist ja unverschämt! Frääääääääulein, wir sitzen hier seit einer Ewigkeit!“
Oh man – wenn die wüsste, dass ihre Ewigkeit erst noch anfängt.
Sturheil boniere ich mein Essen. Mit den Jahren lernt man, Prioritäten zu setzen und ich befürchte (oder weiß aus Erfahrung), dass des mit uns heute eh nix wird.
„Fräääääulein! Jetzt langt es mir aber!! Fräääääulein, wir wollen jetzt endlich bedient werden!“
– zefix – no oa moi „Frääääääulein“ und mi zerreißts.
Ja aber wir sitzen hier – Diskussionsmarathon
Ich geh also in Ruhe rüber zu den Herrschaften, lächle und erkläre freundlich, dass wir diesen Bereich, in dem sie sitzen heute geschlossen haben. Weil, warum und wieso wird von den zweien wild durcheinander gefragt! Es lohnt nicht, dass zu erklären.
Ich versuche ihnen einen der vielen freien Plätze schmackhaft zu machen. Keine Chance:
„Sehen sie Frääääääulein, für uns können Sie doch eine Ausnahme machen, wir kommen schließlich seit 40 Jahren an den Tegernsee!“
Ich überlege kurz, womit ich anfange (entscheide mich vermutlich für das Falsche) „Gnädige Frau, den Status des Fräulein habe ich spätestens nach meiner Dritten Hochzeit abgelegt. Auch nach 40 Jahren kann ich für Sie keine Ausnahme machen – aber ich habe wunderschöne Schattenplätze mit Seeblick auf der anderen Seite des Biergartens. Dort bediene ich Sie gerne!“
„Hans-Dieter – wir gehen. So was Ungehobeltes. Pahh – typisch Bayern. Rotzfreche Göre! Ich will hier bedient werden! Und wenn das diesem faulen Stück nicht möglich ist, weil sie sich lieber die Beine in den Bauch steht, anstatt zu arbeiten, dann gehen wir sofort wo anders hin!“
Pfiat di Hildegart – und warum das nicht das Ende der Welt ist
Ja so ist es. Ich habe Gäste verloren. Natürlich können wir uns das nicht leisten als Gaststätte und Biergarten. Aber mit der Konsequenz aus dieser Ausnahme kann ich auch nicht „überleben“, weil die nächsten Gästen möchten dann unter dem Baum sitzen, und die übernächsten in der Sonne und die dritten möchten dann bitte Service unten am See und die letzten vielleicht auf ihrem Bötchen.
Wo zieh ich denn die Grenze?
Dann ist da noch die Sache mit den Beschimpfungen: i bin bloß a einfache Bedienung. Aber deswegen auch kein schlechterer Mensch. Jeder der mi kennt, woaß, dass i ned faul bin. Beschimpfen lassen mag und muss ich mich nicht.
Leider sind Gäste immer mal wieder so drauf, wie Hildegart und Hans-Dieter aus Castrop-Rauxel – vielleicht ist das mit einer Gründe, dass immer weniger Menschen Lust auf Gastronomie haben und wir deswegen nur einen Teil des Biergartens öffnen können.
Hach.. es ist ein Teufelsrad…
Sarà perché: Frääääulein is scho lang nimma – nein, heute nicht – schon mal Teufelsrad gefahren?