16 und der Rest von heute
Heute: Status – Bedienung
München – damals nur ein Dorf mit großer Anziehungskraft
Lasst uns heute mal einen Ausflug machen. In die Geschichte. Nicht bis in Mittelalter aber in eine Zeit, die koana von uns mehr dalebt hat. München ist schon eine große Handelsstadt. Unsere Wittelsbacher sind zwar König und München ist die Hauptstadt, aber im Großen und Ganzen ist es halt nur ein kleines Dorf. Ein kleines Dorf, in dem sich Handelstreibende aus dem ganzen Land und darüber hinaus treffen. Ein kleines Dorf in dem Gewürze aus fernen Ländern gegen Eier getauscht werden, in dem italienischer Wein mit Bocksbeutel aus Franken verglichen wird.
Ein kleines Dorf, dass schon seit Ewigkeiten eine Bauordnung hat, in dem prächtigen Bauten neben Lehmhütten stehen und das Gesetze und Regeln hat, die bis heute weit über die Grenzen hinaus Gültigkeit haben: das Reinheitsgebot zum Beispiel.
Gastronomie, Geld und die andere Seite der Stadt
Dieses kleine Dorf war schon früher der Sehnsuchtsort vieler Menschen. So wie heute noch und so viele andere wunderschöne Städte es auch sind. München hatte schon früh eine ganz besondere Anziehungskraft. Wegen der vielen Menschen, dem vielen Trubel und Treiben in der Stadt und natürlich nicht zuletzt, dem vielen Geld, welches in München täglich seinen Besitzer wechselte. Auf den Märkten, bei den vielen kleinen Gschäfterln und natürlich auch in der Gastronomie.
Klar, wo viele Reisende und Fremde, Handeltreibende und Neugierige zusammenkommen, floriert natürlich auch die Gastronomie. In all ihren Facetten und Ausprägungen. Klassische Hotels oder einfache Herbergen. Gaststätten oder Schankbuden.
Und… da floriert auch das Rotlichtmilieu. Völlig klar. Für die Dirnen schnell verdientes Geld. Für die Mannsbuider lustvolle Erleichterung. Für alle anderen Beteiligten gut und einfach verdientes Geld.
Die klugen Mädels vom Land
Der Unterschied zwischen Bauer und Stodtara war teilweise gewaltig. Von den Lebensumständen bis zum Vermögen. Kein Wunder also, dass die einfachen Leute vom Land auch ein bisschen abhaben wollten vom großen Geld aus der Stadt. Aber wie fängt man das nun an. Bildung war auf dem Land nicht oberste Priorität. Die Kinder hatten gar keine Zeit für Schule, schließlich mussten sie auf Hof und Feld mitarbeiten.
Der Dorfpfarrer hatte seine liebe Mühe, den Bälgern ein wenig Lesen, Schreiben und Rechnen beizubringen.
Aber hin und wieder war ein schlaues Mädel dabei. (Auch Buam, aber um die geht es heute ausnahmsweise mal nicht) Eine ansehnliche Tochter, die schnell verstanden hat, dass zwei und zwei Eier vier Eier machen. Die kräftig, schnell und fleißig war. Die sich auch getraut hat, ihren Mund aufzumachen. So eine wurde dann vom Bauern in die große Stadt geschickt – zum Arbeiten.
Oftmals beim Wirt. Weils ganz nett ausschaut, bissal rechnen konn und a sonst ned bläd is.
Die Resi, der Wirt und die Mannsbuidn
„Weil´s a sonst ned bläd war“ hat des Madl schnell begriffen, dass eher Mannsbuider zum Wirt gehen und dass wenn´s recht nett zu dene is uns wenn´s gut darauf schaut, dass dene gut geht, jene auch gutes Geld da lassen.
Dem Wirt hat´s gefallen, weil gerne noch ein Bier mehr getrunken wurde als sonst. Dem Gast hat´s gefallen, weil die Resi des Bier gerne bringt und nicht mault und schimpft und meckert. Da Resi hats gefallen, weil sie so viel schönes Geld in ihrem Sackerl hoam tragt. Eine Trippel-Win-Situation so zu sagen.
Wer von Euch übrigens meint, dass gäbe es heute nicht mehr… der macht mal kurz Instagram auf und swipt ein bisschen durch den Status der anderen. Influenzen ist eigentlich auch nix anderes.
Von Gerede, Gerüchten und Geschimpfe
Jedenfalls war es halt so, dass die Madl, die beim Wirt bedient haben zwar im Wirtshaus für gute Stimmung gesorgt haben und bei Gästen und Chef gleichermaßen beliebt waren – bei den Weibsbildern dahoam dafür um so weniger! Weils halt auch nur ein ganz kurzer Weg ist, zwischen Busen o´schaugn und o´glanga. Und weil die Resi für einen Groschen mehr auch mehr hat über sich ergehen lassen, als es eine Bedienung tun muss.
In kürzester Zeit waren die Bedienungen ein verrufenes Pack, was hier und da im gleichen Atemzug mit den Dirnen vor den Toren der Stadt genannt wurde.
„Schaus da o, wias ihran Busn wieder ind Auslag legt!“ haben die Weiber dann gschmipft, wenns ihre Mannsbuida beobachtet haben beim Wirt.
„Du host du scho ghert, die Bedienung vom Oidn Wirt drüm, de soi angeblich de Mannsbuida hinta de Hoizfassl vaziagn!“ wurde unter den bissigen und eifersüchtigen Eheweibern getuschelt.
Vermutlich wars so. Hier und da. Aber vermutlich wars auch oft genug so, dass die Mädels gar nicht freiwillig mitgegangen sind. In Filmen wie Oktoberfest 1900 gibt’s ausführliche Einblicke in die Materie. Ich könnte noch ewig weiter schreiben, aber es würde hier einfach den Rahmen sprengen.
Der lange Schatten der Vorurteile
Fakt ist: der Beruf „Bedienung“ war ganz, ganz lange Zeit verrufen. Diese Arbeit machen nur Frauen niederen Standes. „Der Weg von der Bedienung zur Prostituierten ist nur ein ganz kurzer!“ waren Sätze die sogar ich noch gehört habe. Und „wenn du es zu nix bringst, dann kannst immer noch Bedienung werden“ war in nicht wenigen Haushalten und Familien ein Mantra. Bedienung ist ja kein anständiger Beruf…
Fakt ist auch: „Bedienung“ ist ein Lehrberuf und heißt dann Restaurantfachfrau. Es ist ein Knochenjob und aller Ehren wert. Weil ohne Bedienungen würde bei weitem nicht so gemütlich und griabig zu gehen – nicht im Wirtshaus, nicht im Biergarten und nicht im Restaurant. Gäbe es keine Menschen, die abends, am Wochenende, am Feiertag oder ganz in der Früh schon dafür sorgen würden, dass Gäste Gäste sein dürfen, dann würde ein wertvoller Teil in unserem Leben fehlen.
Die wilde aus dem Süden
In Bayern, in München, da haben wir schon lang verstanden, dass eine Bedienung was ganz Besonderes ist: schließlich gibt’s bei uns auch Biergärten mit Selbstbedienung. Jenseits des Weißwurstäquators ist das noch nicht in allen Köpfen angekommen.
Und ich weiß, wovon ich spreche.
Schließlich habe ich aus Versehen Blutsverwandtschaft ohne bayerische Staatsbürgerschaft. Die rennen zwar auf die Wiesn und stellen sich schon nachts am Zelt an, um einen Platz zu bekommen, aber ihre Verwandte besuchen sie nicht. Genaugenommen reden sie nicht mal über „die wilde aus dem Süden“.
Schließlich ist eine „Bedienung“ in der Verwandtschaft nicht standesgemäß. Man kann sich ja auch nie ganz sicher sein, ob sie nicht doch ihren Körper verkauft.
Ich kann euch beruhigen: meinen Körper verkaufe ich nicht. Meine Kraft, meine Freude, meine Energie und meine Leidenschaft verkaufe ich. Jedes Mal, wenn ich 12 Maß zum Tisch bringe und jedes Mal, wenn ich noch ein Hendl mehr auf den Schlitten packe, dann mache ich das. Weil ich genau diesen Job so sehr liebe. Weil ich es liebe, wenn sich bei mir alle wohlfühlen und ihre Zeit genießen.
A wuide bin i und bleib i, aber vielleicht hab i sogar mehr Anstand ois wia ihr.
Sarà perché: De oidn G´schichtn – damals dahoam – voller Stolz Bedienung