noch 36 und Rest von Heute
VOLKFEST-TAGEBUCH DACHAU 2024 – DER COUNTDOWN ZUR WIESN.
HEUTE: Das Unverständnis und die Liebe
Ich habe Euch ja schon öfter erzählt, dass es Menschen meinem Umfeld gibt, die mich für restlos bescheuert halten. Die 0,0 nachvollziehen können, warum ich im Bierzelt arbeite, denen es sogar peinlich ist. Schließlich gehört eine Bedienung ja ans „untere Ende der Nahrungskette“. Diejenigen, die so über mich reden, verhalten sich meinen Kollegen gegenüber auch genauso. Bei mir natürlich nicht, die würden schließlich niemals in meinem Service sitzen – wäre denen ja viel zu peinlich. Aber natürlich rennen die auf jedes Fest, gehen mindestens 3 Mal die Woche zum Essen in irgendein schickes Lokal und gehören auch zu der Fraktion: Mittlerer Wiesn-Samstag 7 Uhr anstehen an der Schützenfesthalle. Weil sie keine Bedienung kennen, die sie rein lässt, keine Reservierung haben und sowieso nicht verstanden haben, um was es eigentlich geht. Um 14 Uhr sind die dann granatenvoll, fahren wieder heim, schlafen ihren Rausch aus und sagen dann zu mir: „ich verstehe ja nicht, was du daran so toll findest!“
Gar NIX
An dem, was ihr da macht, finde ich gar nichts toll. Das hat auch mit Bierzelt-Liebe und bayerischer Gemütlichkeit nichts zu tun. Das ist ein heilloses Besäufnis ohne Sinn und Verstand. Ihr seid bei keiner Bedienung gern gesehen, weil ihr sie behandelt wie Dreck, ihr seid bei keinem anderen Gast gerne gesehen, weil ihr euch aufführt wie ein warmes, geschütteltes Cola und wenn ihr ehrlich seid, dann seht ihr euch nicht mal selbst gern im Spiegel, weil ihr es wisst. Ich bin fein raus bei der Nummer, weil bei mir sitzt ihr nicht – aber von Euch gibt’s mehr! Und hin und wieder verirren sich ein paar aus eurer Gattung zu mir. Die von der Sorte: „He wisch mal Tisch, du wirst dafür bezahlt“ und „Oida, das Bier ist nicht voll!“ Aber wenn ihr dann eine Bedienung wie mich erwischt, dann verdurstet ihr halt. Mit Blick auf den Zapfhahn… weil ich es kann.
Bier-Liebe
An der Schänke stehen und warten bis die 6 schönen Maß fertig sind. Nicht immer ein leichtes Unterfangen, weil unsere Schankis ihr Handwerk zwar beherrschen, aber halt auch nicht nur gemalte Maß hinstellen. Da muss man dann schon mal nachfragen. Ob vielleicht ein bisschen was nachgeschenkt werden könnte, oder man auf die Radler noch ein bisschen Schaum haben darf. Nicht selten gibt es dafür einen blöden Spruch oder man wird angeschrien. Aber da muss man durch. Für den Gast und für die Bierliebe. Ihr macht euch ja gar keine Vorstellung, mit was wir (die Schankis und die Bedienungen und die Ganterbuam) an der Schänke alles zu kämpfen haben. Mit Krügen, die schon viel zu lange stehen und sich der Außentemperatur annähern. Mit Fässern, die perfekt gekühlt aus dem Lager kommen und dann reißt der Durchlauf ab, weil auf einen Schlag alle Bleifrei trinken. Mit Amateuren am Glas, die im Umdrehen die Maß quer nehmen und die ersten 400 ml in die Schuhe des Kollegen schütten. Tatsächlich ist es nämlich so: für Maßkurg schleppen brauchst du nicht nur Kraft, sondern auch ein bisschen Talent. Trägst du die Maß schief, läuft das Bier raus. Verrückt, oder?
Maßkrug-Liebe
Eventuell ist es so, dass die Zeit der Maßkrüge überholt ist. Vielleicht braucht es das gar nicht mehr und halbe würden reichen. Mag sein. Aber da fängt es jetzt an: Mach dir mal die Gaudi und kauf dir ein Tragl von deinem Lieblingsbier. Kühl es sauber ein und richte dir folgende Gläser her: einen Willibecher, einen Maßkrug, einen Keferloher und ein halbe Krügerl. Jetzt schenkst du das kalte Bier korrekt in die einzelnen Gläser und probierst der Reihe nach. Ich verspreche dir, wenn du nicht kurz zuvor mit einer scharfen Feuerwurst deine Geschmacksnerven kurzzeitig zerstört hast, schmeckt jedes Bier anders – obwohl es das gleiche ist. Verrückt! Aber es ist so. Und im Bierzelt schmeckt das Bier eben am besten aus dem Maßkrug, schon weil der länger kalt hält als der Willibecher. Noch besser wäre es, wie damals, einen Keferloher zu nehmen. Diese wunderbaren Steinkürge – aber die EU weiß es besser und hat die verboten! Kein Witz! Weil der Gast nicht sehen kann, was und vor allem wie viel drin ist. Und wen ich mir anschaue, dass vereinzelt Gäste bei einem Glas- Maß-Krug den Eichstrich nicht sehen und deswegen nicht erkennen können, ob das Glas ausreichend gefüllt ist – ja Merci Mausi… den Zirkus tut sich ja keiner an.
Holzfass-Liebe
So ein Bier aus dem Holzfass schmeckt einfach besonders. Nicht zu vergleichen mit Flaschl oder Kek-Fass. Eigentlich mit nix zu vergleichen. Aber es braucht halt erheblich mehr Arbeit, Erfahrung und Aufwand. Die Fassl müssen gekühlt, gelagert, aufgestellt und angezapft werden. Die Qualitätskontrolle ist um einiges Umfangreicher wie bei einem Tank. Die brauchen erheblich mehr Platz und vor allem erheblich mehr Man-Power. 300 kg hebst du halt nicht mit dem kleinen Finger auf. Außer, ja außer du bist Ganter-Bua bei Augustiner. Dann vermittelst du den Eindruck, als wäre das ein Kinderspiel. Chapeau die Herrn, vor Euch hab ich so richtig Respekt. Jedenfalls, wenn das Fass dann endlich steht, der Wechsel eingeschlagen ist und das Pfeiferl sitzt, dann kommt aus dem Holzfass das beste Bier, was es gibt. Süffig, lebendig, kühl und frisch und mit nichts auf dieser Welt zu vergleichen. Und an dieser Stelle komme ich wieder auf das eingangs erwähnte Thema: wie kann man so ein hervorragendes Qualitätsprodukt so sinnlos in die Birne kippen. (Und dann am Ende auf demselben Wege auch wieder verlieren) Ihr (die ich zu Beginn angesprochen habe) meint, ihr währt was Besseres und Feineres, weil ihr Wein degustiert, in schicken Lokalen speist und Bedienungen dem „niederen Stand“ zuordnet – ich muss Euch enttäuschen. Alles was mit Liebe und per Hand erschaffen wurde, sei es Wein, Champagner oder Bier, hat es verdient, dass man es genießt. Und jeder, der für Euch diese Arbeit macht, es Euch an den Tisch bringt und nachher Euren Dreck wegräumt hat es verdient pfleglich behandelt zu werden. Weil wir wissen, wie viel Arbeit dahinter steckt, dass all diese wunderbaren Getränke (und auch Speisen) so zu Euch kommen, wie sie es verdient haben.
Ja, Mei!
Schau her, da war die Paula heute ein bisschen deutlich. Aber manchmal muss auch das sein. Manchmal muss man einfach deutlich sagen, was so viele denken. Ein Volksfest hat nicht den einzigen Existenzgrund darin, dass sich seine Besucher in eine komatöse Parallelwelt katapultieren und jegliche Kinderstube vergessen. Eine Bedienung, egal ob im Bierzelt oder im feinen Lokal ist (seit langen schon) keine Person niederen Standes (mehr). „Erziehe deine Kinder so, dass sie den Hausmeister mit genauso viel Respekt behandeln wie den Geschäftsführer!“ Wir alle, die wir im Bierzelt mit ganz viel Herzblut und stundenlang arbeiten, wir sind von Herzen gerne Gastgeber und möchten euch eine tolle Zeit bereiten. Euch kaltes und frisches Bier bringen und Euch in den Genuss von Handwerk kommen lassen. Genießt es – und erfreut Euch an dem Glück, dass wir das erleben dürfen. (Wer jetzt den Dr. Schönfärber im Ohr hat, es sei dir vergönnt)
Das Ende: hättest du halt was anständiges gelernt – du gehst ja eh nur zum Feiern ins Bierzelt – psssst, nicht verraten, dass wir uns kennen!