Wiesn-Geschichten von 2019 – Heute: über schlecht eingeschenktes Bier und die Ahnungslosigkeit der Gäste oder: A Schaumige geht ollerweil
Das Fest der Liebe
Wenn man den geschichtlichen Hintergrund der Wiesn ins Auge fasst, dann ist es ein Fest der Liebe. Schließlich ist die Wiesn aus einem Pferderennen heraus entstanden, welches die Münchner zu Ehren der Hochzeit unseres Königs veranstaltet haben. Aber wie bei jedem Fest der Liebe (siehe Weihnachten) ist Streit nicht auszuschließen – nein, eher sogar vorprogrammiert. Und in flüssiger Bierlaune streitet es sich ja besonders gut.
Mann streitet mit dem Tischnachbarn, weil der die eigene Frau zu lange oder gar zu intensiv angeschaut hat.
Frau streitet mit ihrem Mann, weil der, wie immer, nur den kurzen Dirndl hinterher schaut, anstatt die eigene Frau anzuhimmeln.
Freundin streitet mit Freundin, weil sie sich beide in den gleichen „Halodri“ verschaut haben.
Er streitet mit ihm, weil des eigentlich sein Platz ist.
„He Resi, schenk nach“
Und wenn all diese, beileibe völlig sinnlosen Streits ausgefochten sind, dann streitet man gerne auch mal mit der Bedienung, weil die Maß zu schlecht eingeschenkt ist. Sehr gerne!
Dafür sind die Bedienungen ja da. Die nehmen des gerne auf ihre Kappe. Schließlich könnten sie auch an der Schänke stehen bleiben, bis die Maß übervoll eingeschenkt ist. Bis des Helle mehr einem Kölsch ähnelt – zumindest in der Schankweise. Selbstverständlich. Gerne.
Wenngleich ich keine Bedienung war dieses Jahr – die Diskussion über „schlecht eingeschenktes Bier“ war bei mir vor der Tür mehr als häufig an der Tagesordnung. Ich habe immer die gleiche Geschichte zur Antwort gegeben. Weil sie so schön und so echt ist, bekommt ihr sie im Original von mir zu lesen: so wie es damals war, als ich noch bedient habe…
Die Paula an der Schänke
Besonders gern stehen wir im größten Ansturm extra lang an der Schänke. In dem Moment, wenn direkt vor der Tür unserer heiligen Hallen der Bus angehalten hat, mit lauter durstigen Menschen, wenn alle Bedienungen gleichzeitig an der Schänke stehen. Weil alle Gäste bitte sofort was zu trinken haben wollen. Dann weisen wir unsere Schankkellner gerne darauf hin, dass sie bitte noch einen Schluck Bier nachschenken. Sehr gerne.
Weil die Meute an Bedienungen, die hintenansteht unbedingt Verständnis dafür hat. Mir persönlich ist eine Situation noch viel lieber: die erste Maß bringe ich raus – zugegeben, ich nehm eh schon immer die Schöneren mit. Der Gast informiert mich liebevoll aber bestimmt mit folgenden Wortendavon, dass ich bitte nachschenken lassen soll: „Heee, gibt es diesen Eimer auch in ganz voll? Das ist zu dem Preis ja wohl eine Frechheit!“ . Natürlich mache ich das. Sehr gerne. Schließlich möchte ich ja auch, dass mein Gast einen ganzen Liter Bier bekommt, wenn er ihn schon bezahlt…
Wenn die Augen größer sind als der Magen
Nach genau 59 Minuten und der 4. Nachfrage, ob mein „Lieblingsgast“ noch eine zweite Maß möchte, lallt er mir entgegen „Jaaa, kannste mitnehmen, is ja lack. Bring nochma eine!“ Was jetzt noch in dem Maßkrug ist, ist mehr als die doppelte Menge dessen, was ich vor 59 Minuten habe nachschenken lassen. Sehr gerne!
Auf dem Weg zur Schänke höre ich unweigerlich eine Stimme in meinem Kopf: „In Afrika verhungern Kindern und wir schütten Bier weg!“ Zugegeben etwas übertrieben. Aber mir geht’s da ums Prinzip. Als ich die zweite Maß hole für diesen Gast, achte ich peinlich genau darauf, dass diese „maximal gezapft“ ist. „Siehste Mädchen, geht doch. Zahl ja schließlich auch den vollen Preis!“ Jaaa genau.
Du lieber Gast, hast grade drei Fehler auf einmal gemacht:
- Ich bin kein Mädchen (oder zumindest bin ich das nur dann, wenn ich das will – nicht, wenn du das zu mir sagst)
- Du zahlst gar nichts (bist nämlich eingeladen und dein Gastgeber bezahlt am Schluss die Rechnung – ohne von dir auch nur einen Euro zu verlangen)
- und das ist in meinen Augen das Wichtigste: Du bist voll. Nicht nur dein Maßkrug.
A frische Schaumige
Und weil heute Sonntag ist bin ich in bester Laune und lasse mich zu einem Spielchen mit dir hinreißen: „Da host recht. Aber i bin ja a lernfähiges Mädchen. Jetzt muaßt du mir nur no zoang, dass du des a ois ausdringa konnst was du da bestellst – bei da ersten Maß hot des ja ned so richtig funktioniert.“ Gelächter am Tisch – ich habe 9 Burschen auf meiner Seite. „Jaaa, isch würd das ja austrinken, wenn es nisch gleisch so schaaaal werden würde!“ wieder lachen alle. Ich werde gefühlte 30 Zentimeter größer und grinse über das ganze Gesicht: „Mei Bua, dann muaßt hoit schneller trinken!“ Während ich des sage, sehe ich im Augenwinkel, wie mir vom Nachbartisch ein Zeichen gegeben wird – es wird nach frischem Bier verlangt. Obwohl jeder noch gut zwei fingerbreit goldener Flüssigkeit in seiner Maß hat, wird trotzdem schon das Nächste bestellt. Als ich mit den 10 „Milch-Maß“ von der Schänke zurückkomme, fällt der zuagroaßte Kollege vom Nachbartisch fast in Ohnmacht. „Hörma Mädchen – das geht nicht. Das ist ja wohl en Witz. Das nehmen die dir ja niemals ab so.“
Und ob sie das tun. Das haben die nämlich so bestellt. Weil es eigentlich gar nicht darum geht, möglichst schnell einen Vollpreller zu haben und Heim zu müssen, sondern weil ein echter Wiesn-Gänger gerne den Tag und den Ausflug auf die Wiesn in vollen Zügen genießen möchte. Vom Anfang bis zum Ende. Um einen Wiesn-Tag zu genießen, braucht es erstens immer ein frisches Bier in der Hand. Nix abgestandenes. Es braucht natürlich zweitens auch etwas Sitzfleisch. Und Durchhaltevermögen. Eine Schaumige ist da genau des Mittel der Wahl. Ein Schnitt im Maßkrug. Immer kühl und frisch. Nie abgestanden und selten was wegzuschütten. Das einzige was an einer Schaumigen zu diskutieren wäre, hat hier nichts verloren. Schließlich ist es ja so: Wiesn ist nur einmal im Jahr. Oiso, nimmt ma des einfach so wie es ist.
Zamschütten
Übrigens, der Kollege vom Nachbartisch: für ihn wurde die dritte Maß in einer Großbestellung mitgeordert. Weil er ja mit der zweiten noch nicht fertig war, hat er des Noagal aus der Zweiten dann in die Dritte geschüttet – der Hohn seiner Tischgesellen war ihm sicher. Nach der Hälfte der Dritten Maß musste er dann mal eine Runde drehen und ein Herzal für seine Daheimgebliebene einkaufen gehen. Für ganze 2 Stunden und 48 Minuten war er verschwunden. Die Stimmung an dem Tisch war in dieser Zeit großartig – zurück kam er mit einem Herzal auf dem in Zuckerschrift geschrieben stand: „Schoaßbladern“ – ich habe ihn gefragt, ob er weiß was draufsteht? Seine Antwort: „Na irgendwas mit Schatz. Ich fand die Farbe so schön!“ Hoffentlich versteht seine Frau so wenig Bayerisch wie er. Und hoffentlich mag sie schweinchen-rosa.
Verlustängste am Eichstrich
Die Diskussion über schlecht eingeschenktes Bier zieht sich über die ganze Wiesn hin. In jedem Zelt, zu jeder Zeit, an jeder Stelle – wie gesagt, sogar bei mir vor der Tür war es Thema. Dazu muss ich an dieser Stelle mal was loswerden: schimpfen und beschweren werden sich immer nur diejenigen, die nicht selbst zahlen, das erste Mal auf der Wiesn sind und/oder noch nie eine Maß komplett ausgetrunken haben. Am liebsten beschweren sich diejenigen, die nicht mal wissen, welche Brauerei in unserem Zelt ausschenkt. Diejenigen, die bei „Hirsch“ an das Tier aus dem Wildpark denken. Diejenigen, die auf der Toilette im Restaurant das Deo in der Handtasche verschwinden lassen. Und sollte doch mal einer von denen bezahlen, dann ist es einer aus der Gattung: „Machst 12 Euro, der Rest ist für dich!“ In 97% der Fälle, bei denen jemand über schlecht eingeschenktes Bier schimpft, ist es einfach nur albern. Bis ich mit dem Bier zurück zur Schänke gelaufen bin, ist aus dem weißen Schaum eh schon goldener Gerstensaft geworden. 3% nehme ich gerne auf meine Kappe. Da war ich einfach zu schnell, zu unaufmerksam oder naja, oder halt des Dritte.
Wiesn-All-Day-Maß
Einschank hin oder her: eine frische Schaumige hat auch ihre Reize. Des sag ich jetzt nicht nur, weil 12 Schaumige „viel“ leichter zu tragen sind wie 12 Maß! Das sag ich, weil ich es weiß. Weil der ein oder andere Gast spätestens dieses Jahr erstmals eine Schaumige bestellt hat und zugegebener Maßen überrascht war. Des sage ich, weil lackes Bier einfach greislig ist und des sage ich, weil ich meinen Gästen was Gutes tun will. Dafür laufe ich gerne doppelt so oft zur Schänke und habe doppelt so lang Freude an meinen Gästen. Weil sie ja viel länger bei mir bleiben können, weil ein halbes Bier lang nicht so schnell betrunken macht, wie ein ganzes Bier. Und des sage ich, weil sich bei der Bestellung einer Schaumigen mindestens am Nachbartisch eine rege Diskussion entwickelt – und ich viel mehr Spaß an Diskussionen habe – als an Streit.
In diesem Sinne – ein Prosit der Gemütlichkeit. Ihr solltet weniger streiten und viel mehr schmusen.
Notiz: g´lernt is g´lernt – a Schaumige geht immer – Hoibe hamma ned