Kinderwagen-Party

Paulas Tagebuch

Noch 14 und der Rest von heute

Urlaub ist ja die bekanntlich die schönste Zeit des Jahres. Wir alle haben in den letzten zwei Jahren viel zu wenig davon bekommen. Also von dem richtigen Urlaub. Dem, wo man total gestresst Koffer packt, schnell noch Sonnencreme einkaufen muss und noch auf die letzte Maschine Wäsche wartet, weil man die Lieblingshose unbedingt mitnehmen muss. Ihr wisst schon was ich meine. Dieser Urlaub bei dem man den ganzen Stress vergisst und einfach durchatmet. Bei dem man stundenlang im Café sitzt und abends zum Essen geht. Wo man nicht abwaschen muss und auch keine Betten machen muss. Wo man einfach den Herrgott einen braven Mann sein lassen kann.

Raus ins Leben

Jetzt grade geht des wieder. Also des mit dem Urlaub machen. Es ist zwar anders und wie ich finde mit noch mehr Aufwand verbunden, aber es geht. Man kann einfach mal eben für ein paar Tage nach Italien fahren, nach Spanien fliegen. Gut, hier ein Formular, da eine Bestätigung und ca. 3 Stunden Lebenszeit darauf verschwendet, die aktuellen Bestimmungen des Ziellandes auswendig zu lernen, aber hey, egal! Hauptsache raus! Raus von daheim. Raus aus dem Alltag. Raus aus dem täglichen Wahnsinn! Rein in das pure Leben… voller Spaß und Freude und guter Laune.

Schöne Stunden

Und der erste Cappuccino mit Blick auf den See, das erste Glas Wein mit salziger Meeresluft und das erste Mal Fisch essen am Hafen und all der Stress und die Sorgen aus den letzten Wochen und Monaten sind wie verflogen. Man vergisst einfach, was alles war. Die lange Zeit des eingesperrt sein, die langen Monate des Verzichts. Und selbst wenn es sich ungewohnt anfühlt, dann ist es doch einfach schön und man gewöhnt sich ganz schnell wieder an die wunderbaren Stunden, die unser Leben ausmachen.

Italienische Angelegenheit

Selbst ich habe es geschafft dieses Jahr nochmal kurz abzuhauen. Nach Italien. Als Münchner gilt man ja weithin als „Norditaliener“, nicht nur, weil unsere Stadt als „nördlichste Stadt Italiens“ gilt. Ja wirklich. Weil München irgendwie hier und da Ähnlichkeiten mit Rom hat. Weil wir eine Papstkirche haben und weil wir immerhin 3 Hügel haben. Und weil wir Münchner Italien schon irgendwie lieben. Schnell mit dem Auto über den Brenner sind wir gleich in Südtirol. Einen kurzen Moment später am Gardasee und noch einen Wimpernschlag später schon an der Adria. Also im Verhältnis zu Kölnern oder Hamburgern sind wir quasi direkt nebenan.

Kleine Cafés

Da sitz ich also. Im Café mit Blick auf den Lago und die Sonne scheint auf meine Beine. In den Straßen und Gassen herrscht reges Treiben und fast könnte man meinen es wäre nie anders gewesen. Das kleine Café ist (für unsere Verhältnisse in der momentanen Zeit) eng bestuhlt und gut gefüllt. Dann geht’s los. Das erste Pärchen kommt an, mit einem Überdimensional großen Kinderwagen. Also ich meine so ein Ding, was einem kompakten Kleinwagen entspricht. Der einzige wirkliche „Weg“ durch das Café ist der Bedienungsgang. Grade so breit, dass der Kinderwagen durch passt – aber wo er durchpasst wird er durchgeschoben. Koste es was es wolle. Schließlich sind Mutti und Papi früher auch immer hier gesessen und haben einen Spritz getrunken. Es gibt zwar keinen freien Tischen hier, aber das ist egal, dann wird gewartet, bis jemand aufsteht. Und damit sicher bald jemand aufsteht, stellt man sich brettelbreit in den Gang.

Platzmangel

Der Kellner mit dem übervollen Tablett voll langstieliger Gläser und großen Flaschen kommt grade um die Ecke geschossen und bremst mit viel Mühe kurz vor der frisch gebackenen Familie. Die Gäste ganz hinten links in der Ecke warten schon seit 3 Minuten Sehnsüchtig auf ihre Getränke und wenn man ihren Blicken Glauben schenken mag, dann hat der Kellner noch ca. 30 Sekunden Zeit, bevor der Starnberger See Kapitän samt Geleit dem sicheren „Tod durch Verdursten“ stirbt. Am Kinderwagen vorbei geht kein Weg. Zwischen den anderen Tischen ist auch kein Durchkommen. Schließlich haben die Ladys an Tisch 5 der Shopping-Sucht gefrönt und ihre Reisekoffer großen Tüten (geschlagene 7 pro Dame) brauchen ja auch einen Platz rund um den Tisch. Also Rückwärtsgang für den Kellner. Drehen geht nicht – die Fliehkraft auf dem Tablett wäre zu groß. Mit Füßen und einem Kauderwelsch aus Deutsch, Englisch und Italienisch bittet er die Familie irgendwie immer noch höflich doch den Gang frei zu machen damit er seiner Arbeit nachkommen kann. Vergebens…

Unverständnis

„Ja, ja, wir warten hier bis ein Tisch frei wird“ lächelt der neue Super-Dad den Kellner an. Woran ich erkenne, dass er Super-Dad ist? Er trägt einen Rucksack! Grau, mit pinken Nähten. Links und rechts sind Netztaschen am Rucksack. Mit Babywasser und steril verpackten Fläschchen. Warum diese Utensilien nicht in der riesigen Wickeltasche am Kinderwagen angebracht sind? Des weiß der Himmel – ich habe nicht nachgefragt. Der Kellner hat sich Verstärkung geholt. Sein Kollege bittet nun das frische Familienglück doch vor dem Café zu warten.

 „Perdono. Una richiesta. Saresti in grado di aspettare di fronte al caffè. Il prossimo tavolo sara sicuramente tuo.” (Verzeihung. Eine Bitte. Wäre es Ihnen möglich, dass Sie vor dem Café warten. Der nächste freie Tisch gehört sicher Ihnen.)

 

Haben die ein Glück, dass die Italiener erstens die Kinderliebsten Menschen der Welt sind und zweitens von Herzen gerne Gastgeber. Von mir hätte es sich anders angehört. Versprochen. Aber gut. Vatti hat nix verstanden, nickt freundlich und bleibt einfach penetrant stehen. Ich kann jetzt nicht anders: „Wärs Euch möglich, dass ihr mit dem Kinderwagen vor dem Café wartet? Die Jungs kommen doch so nirgends mehr durch und dann wird so schnell sicher kein Tisch frei, die können nicht mal zum kassieren an einen der Tische!“ Jetzt ist die frisch gebackene Mutti wach geworden. Was ich eigentlich will und dass sie schon selber wüsste was richtig ist. OOOkeyyy. Ich halt jetzt meine Klappe.

Wartezeiten

Unser Seekapitän aus Starnberg wird jetzt richtig grantig. Nicht weil der Kinderwagen da steht, sondern weil der Kellner nicht fliegen kann. Der schreit auch schon rum. Wo seine Getränke bleiben und dass des ja nicht sein kann, dass er so lange warten muss. Schließlich ist er seit Jahren – also auch vor der Pandemie schon – Gast hier. Hat er ja noch nie erlebt. Eine Gesellschaft leicht angezündeter Holländer holt grade Schwung, um erneut zu einem lautstarken „Prost“ anzusetzen. Und dann passiert, was passieren muss: eines der überdimensional großen Biere schwappt über und ergießt sich auf dem schicken weißen Sommerkleid der frisch gebackenen Mutti. Das Baby hat nix abbekommen. Aber Mutti steht jetzt da wie ein begossener Pudel. Das Makeup sitzt, aber die frisch gedrehten Locken hängen jetzt wie Spaghetti über den Rücken. Das mittlerweile durchsichtige Leinenkleid legt den Blick frei auf den kaum erkennbaren Stringtanga – und bei den Holländern setzt umgehend Kopfkino ein.

Sonntags im Bierzelt

Von jetzt auf Gleich fühle ich mich in einen Sonntagnachmittag versetzt. Irgendwo in einem Bierzelt in Bayern. In dem die Familien das Zelt stürmen – uns Bedienungen keinen Platz zum Arbeiten lassen und ein Schaulaufen der größten Kinderwägen starten.

Nicht meine Party

Ich lehne mich zurück. Zugegeben ich muss ein bisschen schmunzeln. Viel hat sich geändert in den letzten zwei Jahren – aber eben bei weitem nicht alles. Einiges ist genau gleichgeblieben. Mit anderen Protagonisten. Ich muss mich heute nicht drum kümmern. Ich kann es ein bisschen genießen. Und mich drauf freuen, wenn ich mich wieder drum kümmern darf. Irgendwann. Nächstes Jahr. Irgendwo, in einem Bierzelt in Bayern…

Häschtäg: Familienfreundlich – ohne Rücksicht auf Verluste – noch 14 und der Rest von heute

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