Der Aufmarsch
Lesen ist was Wunderbares. Man kann einfach so, in eine andere Welt eintauchen. Man vergisst für einen Moment das hier und jetzt und die Geschichte malt sich in Bildern in den Kopf. Sie schlängelt sich durch die Gedanken und legt sich fein säuberlich über all den Stress und die Sorgen, die einen grade so beschäftigen. Zugegeben: ich habe viel zu wenig Zeit zum Lesen. Haushalt, Kinder, Arbeit und zack ist der Tag vorbei. Dann falle ich müde und kaputt ins Bett. Dazu kommt noch, dass ich spannende Geschichten so gar nicht weglegen kann. Das war auch dieses Mal wieder so: schon bei „der Aufmarsch“ – das erste Kapitel aus „Der Tanz der Schäfflerin“ – wusste ich, dieses Buch ist heute Abend fertig. Und so war es auch. Ich habe die 325 Seiten einfach eingeatmet.
Die Schlange
Wenn ich in München Stadtführungen machen – insbesondere dann, wenn ich mit Münchnern spazieren gehe, gehe ich gerne am Lindwurmeck vorbei. Eine Ecke in München, an der jeder schon zigmal vorbeigeeilt ist – gesehen hat den Lindwurm kaum einer! Dabei zeugt er von einem traurigen und ersten Teil Münchner Stadtgeschichte. Die Pest, der schwarze Tod, hat München im Mittelalter oft dahingerafft. Hat ohne zu fragen unzählige Leben ausgelöscht, hat die Stadt in Angst und Schrecken versetzt. Trotzdem sind die Münchner immer wieder aufgestanden! Haben den Lindwurm bekämpft und wieder von vorne angefangen.
Die Geschichte
Mit der Pest beginnt auch die Geschichte von Yngra Wieland. Jokaba, die Tochter des Schäfflermeisters Willhelm Neuburg erfährt, dass der schwarze Tod wieder Einzug gehalten hat in der Stadt. Zu einer Zeit, zu der München sowieso schon geschwächt war. Der 30-jährige Krieg war in vollem Gange und der Schwedenkönig ist grade erst samt Geiseln aus München weg gegangen. Hunger, Leid, Elend und Not waren groß in München. Aber Jakoba erinnert sich an die letzte Pest und an den Tanz der Schäffler, welcher der Stadt wieder Lebensfreude, Mut und irgendwie auch Gesundheit gebracht hat. Schon damals, als sie an der Hand ihrer Mutter diesen Tanz gesehen hat, war es ihr sehnlichster Wunsch, ebenfalls einmal zu tanzen…
Das Schönste
Ohne Zweifel – wer München mag, wird dieses Buch lieben. Weil man beim Lesen unweigerlich das Gefühl von einem Stadtspaziergang durch München hat. Weil dieses Buch neben der Story so wunderbar viel Münchner Stadtgeschichte, Bayerisches Brauchtum und Mittelalter beinhaltet. Weil man direkt vorstellen kann, wie vor dem Talburgtor nicht mehr als Wiese, Wald und Feld ist. Und weil man unweigerlich den Marienplatz vor Augen hat – übrigens ohne Mariensäule – die kam erst später und Platz hieß damals auch noch Schrannenplatz.
Spannend
Büttel, Henker, Hexenturm – ja, es wird vergewaltigt, ja es wird gefoltert, ja es wird gestorben. Aber auch wenn es ein paar Zeilen lang gruselig ist, für den Moment sogar direkt nachfühlbar weh tut, es gehört dazu und es geht schnell wieder vorbei. Zumindest im Buch. Damals, im Mittelalter, und vermutlich auch noch viel später, ist viel davon nicht schnell vorbei gegangen. Wenn nur ein kleiner Teil davon wahr ist und wirklich so passiert ist, dann bin ich den Herrgott mehr als dankbar, dass ich heute hier bin! Weil uns geht’s nämlich ganz schön gut.
Geschichte wiederholt sich
Ganz ehrlich – wer heute anfängt, dass Buch zu lesen kommt nicht umhin Parallelen zu ziehen. Zu heute. Zu jetzt. Genau genommen ist es gruselig ähnlich. Stellt Euch mal vor, die Stadtglocke würde um 21 Uhr läuten, denn ab da ist Ausgangssperre. Da müssen alle in ihren Häusern sein! Die Menschen haben Angst sich zu begegnen, weil sie nicht wissen, ob sie sich anstecken. Es liegt eine gruselige, ängstliche Stille über der Stadt.
Nur die Himmelskönigin steht weiterhin dort auf ihrer Säule, thront über uns, beschützt uns:
„Maria, Himmelskönigin, der ganzen Welt ein´Herrscherin,
Maria bitt für uns
Du Herzogin von Bayern bist.
Das Herzogthum dein eygen ist.
Darumb liebreich Mutter,
reich uns deine milde Hand.
Halte dein Schutzmantel aufgespannt,
über das ganze Bayernlandt…“