Sonderedition

noch 38 und Rest von Heute

VOLKFEST-TAGEBUCH DACHAU 2024 – DER COUNTDOWN ZUR WIESN.

HEUTE: Geschichten aus dem Bierzelt

Das Dachauer Volksfest ist eine Sonderedition. Also jedes Volksfest ist auf seine Weise speziell. Jedes Volksfest hat so seine Eigenheiten. Jedes Volksfest ist für irgendwas bekannt. Jedes Volksfest tickt ein bisschen anders. Aber unter all diesen besonderen Festl ist Dachau ohne frage eine Sonderedition. Hier ist nichts so, wie überall. Nicht die Gäste, nicht die Bedienungen, nicht das Volksfest-Leben. In Dachau ist auch nichts berechenbar. Wenn’s regnet sitzen die Gäste im Garten, bei 45 Grad im Zelt zünden sie sich an wie einen Haufen ausgetrockneten Savannen-Gras und am nächsten Tag trudeln sie fröhlich um 11 Uhr früh ins Zelt und verputzen eine Haxe samt Maß und tun so, als wäre nix gewesen. Gut, vielleicht mit einem kleinen Schweißausbruch.

Braun gebrannt

Es ist endlich ein bisschen was los. Ein paar Gäste sind da. Der Garten ist gesteckt voll und das Mittagsgeschäft läuft gut. An der Küche ist einiges los. Und dann ist er endlich da, der Sonderedition Gast. „Du, habt’s ihr Schweinswürstl?“ freilich haben wir die. Hinter der offenen Speisekarte versteckt fragt er weiter: „Was ist denn da dabei?“ Sauerkraut, so wie es in der Karte steht, die du gerade liest. Irgendwie glaubt er mir das nicht. „Is a Brot a dabei?“ Ich verneine und verweise wieder auf die Karte. Erkläre aber auch, dass er Brot, Semmel, kleine oder große Breze dazu bestellen kann. „San de gebraten?“ Ich merke, dass er mich langsam nervt. „Oiso eigentlich spekulieren wir drauf, dass unsere Gäste ihren Grill selber dabei haben!“ Sage ich natürlich nicht, sondern erkläre, dass die gerillt werden. „Aha, ja san die auch schön braun?“ Himmelherrgott! Es sind halt gegrillte Schweinswürstl. Wir einigen uns, dass ich ihm eine Portion bringe. Gehe an die Küche, bestelle extra dunkle, gehe zum Gast und der sagt: „de san ja fast roh, die esse ich nicht!“ Gut, gehe wieder in die Küche, frage nach, ob sie mir aus den saftigen Schweinswürstl bitte Holzbriketts machen können. Die Küche verdreht die Augen, der Gast ist glücklich. Ich auch. Zeitaufwand: 13,8 Minuten. Habe ich die? Nein!

Heiß fassen

„Wer heiß fasst, der kann heiß lieben!“ sagt ein altes Sprichwort. In der Sonderedition „Dachauer Gast“ läuft des nicht so. Die Temperaturen haben für diesen Tag ihren Höhepunkt erreicht und das Thermometer ist irgendwie Richtung 36 Grad gekrabbelt. Alles ist warm. Die Luft steht, das Bier schwitzt, die Bedienungen stehen im eigenen Saft, der Obatzda ist flüssig und der Salat fällt innerhalb von Sekunden zam. Und Tische, welche nicht vollständig im Schatten stehen, werden halt heiß. Weil die Sonne drauf brennt. „Fräulein, der Tisch ist so heiß, können sie da was machen?“ Ich muss mich kurz sortieren. „Freilich, Moment, ich trag ihn schnell in die Kühlung…“ ist vermutlich nicht die richtige Antwort auf diese Frage. Aber es kommt besser: „Wissen Sie, der Tisch ist so heiß, da wird des Bier lack, schauen Sie mal.“ Und dann hebt er mir die Dreiviertel leer getrunkene Maß entgegen mit den Worten: „lass de nachschenken, der war ja gar nicht voll!“ jetzt fehlen mir das erste Mal seit langem die Worte. Ich käme im Traum nicht auf die Idee, mit dieser Maß zur Schank zu gehen. Obwohl ich das wirklich gerne hingehe. Eher versenke ich den heißen Tisch in der Amper zum Abkühlen. Ich sag jetzt einfach gar nix. Ich geh einfach. Da fällt dir auch nix mehr ein.

 

Boandlkramer

Die Geschichten-Sammlung ist noch nicht zu Ende! Weil immer einer kommt, der noch ein bisschen verrückter ist. „Mir hätten gern zwoa Hendl, A Hax, a Breze und a paar Knochen.“ Ich schau vermutlich ziemlich blöd: „A paar Knochen?“ „Ja freilich, von den Haxn oder dem Schäufele.“ Aha. Und i soll jetzt in die Küche gehen und die auslösen, oder wie? „Ja was macht ihr denn mit den Knochen, die bei anderen Gästen übrigbleiben?“ an dieser Stelle komme ich nicht umhin, mich einfach nur zu ekeln. Weil in meinem Kopf natürlich sofort Bilder kommen, wie die abgefressenen Knochen an der Spülküche gesammelt werden und dann in einen Topf zum Auskochen für die nächste Bratensoße geschmissen werden… schüttelt es euch? Ich kann euch beruhigen! Wir schmeißen alles weg! Wirklich alles! Was sollten wir auch sonst damit tun. Die Dame jedenfalls hört nicht auf, um Knochen zu betteln. Eigentlich sollte ich sie mitnehmen an diese Abräume-Station, damit sie selbst wühlen kann. Ich kann es nicht. Schließlich soll ich mit den gleichen Händen frisches Essen raus tragen. Weil ich sämtliche Gesichtsfarbe verliere und der Gast am Nebentisch mein Gespräch mithört, bietet er der Frau seine abgefieselten Knochen an. Ich bringe eine Hendl Garage und alle sind happy. Vielleicht übertreibe ich. Aber ich bin halt Bedienung und kein Boandlkramer.

 

Putzfrau

Die Party im Zelt hat ihren Höhepunkt erreicht. Alle stehen auf den Bänken und feiern. Der Alkoholpegel sorgt für Gleichgewichtsprobleme und verfrachtet die Kinderstube in die hinterste Ecke. Um nicht von der Bank zu fallen, stellen die Zahnspangen-Träger aus den ersten 4 Reihen jeder einen Fuß auf den Tisch. Dann steht man sicherer. Die Tische sind feucht vom Bier. Die Schuhe sind dreckig und staubig. Die Tische schauen in kürzester Zeit aus wie Schwein. Die Musik sieht Pause und damit alle Gäste den Weg zum Klo finden, gibt es bisschen mehr Licht im Zelt. Das Ausmaß der Sauerei wird jetzt richtig sichtbar. Auf Tisch 1 sind ein paar Helden auf der Fraktion: mit Jesus-Latschen und Flipflops. Zurück vom Klo, debattieren sie darüber, dass am Pissoir der Boden schwimmt, weil nach 2 Maß Bier keiner mehr trifft. Dann wendet sich einer der Neu-Testosteron-Träger an mich: „He, wisch mal Tisch. Sieht end assi aus!“ Die Musik geht wieder los und er springt auf die Bank, steht seinen Fuß auf den Tisch. Mit den Schuhen, mit denen er grad im Klo durch die Siffe gelaufen ist. Eins von den Mädels hält mich am Arm: „Hast du gehört, du musst wischen!“ „Gutes Kind, erstens, tut bitte sagen nicht weh, zweitens, muss ich gar nix!“ „Alta, du wirst bezahlt dafür, dass hier sauber ist, putzen ist dein Job!“ Dieses Quietschi hat sich übrigens vorhin die 30 Cent rausgeben lassen… egal. I reg mi nimma auf! Ich hol mir später Handschuhe und putze die Tische sauber, wenn alle weg sind. Und danach dusche ich. Lange. Bei fehlender Kinderstube ist Hopfen und Malz verloren. Aber ich verspreche Euch, wenn ihr morgen zum Essen kommt, dann schwimmt auf dem Tisch weder Urin noch Erbrochenes. Und bevor ihr des nächsten Mal einen Fuß auf den Tisch stellt, denkt ihr kurz an mich.

 

Ja, Mei!

Die Hitze macht uns dieses Jahr zu schaffen. Allen. Den Gästen, dem Personal, einfach allen. Aber das ist kein Grund, dass man alles um sich rum vergisst. Das es Menschen sind, die arbeiten, während andere ihr Leben genießen. Und wir genießen ja auch. Weil wir unseren Job und des Bierzelt irgendwie lieben. Weil wir uns unter extremen Umständen selbst alles abverlangen. Weil uns der Schweiß durch die Augen rinnt, während wir für unsere Gäste rennen und alles zum Tisch schaffen, was bestellt wird. Und sind wir ehrlich, gäbe es diese paar Exemplare aus der Sonderedition nicht, dann hätte ich nix zu schreiben und ihr nix zu lachen.

 

Das Ende: Paula, ich hab noch eine Geschichte – dieses Jahr sitzen wir nicht bei dir – du bist zum Arbeiten hier

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1 Kommentar

  1. Edhofer Margit
    18. August 2024 / 16:33

    Einfach a Wahnsinn, mit welchen „Exemplaren“ ihr da es zu tun habt. Die einen lustig, die anderen komisch, und die ganz anderen rotzfrech, ohne jegliche Erziehung. Wünsch noch einen guten Endspurt. 🥵

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